"Coming in!" Fest für Outsider Art in Nürtingen

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abstrakes buntes Bild mit angedeuteten Augen

Patrick Kunz, Rosalie, Acryl, 75 x 53 cm, 2023. ©Andrea Ebner, Kreative Werkstatt Diakonie Stetten e.V. (Bildausschnitt)

Von 14. Juni bis 14. Juli; mit dabei die Hochschulstudiengänge Künstlerische Therapien

NÜRTINGEN(nt). Im Sommer 2024 findet in Nürtingen unter Federführung des städtischen Kulturamts und in Kooperation mit den Hochschulstudiengängen Künstlerische Therapien der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) das Kunstfest „Coming in!“ statt.

Vom 14. Juni bis 14. Juli rücken verschiedene Nürtinger Kunstinstitutionen Kunstformen, welche von Menschen mit
Behinderungen oder Psychiatrieerfahrung geschaffen wurden, in den Mittelpunkt und machen sie in
Ausstellungen, Vorträgen und Performances für ein breites Publikum erlebbar. 

Coming in! Das Fest für Outsider Art in Nürtingen wird gefördert von der Baden-Württemberg Stiftung, der Stiftung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, der Eberhard-Rommel-Stiftung, der Karin Abt-Straubinger
Stiftung, der Lechler Stiftung sowie der Albrecht Beck-Stiftung und unterstützt vom Hochschulbund
Nürtingen-Geislingen e.V.

„Kreativität ist die Intelligenz, die Spaß hat“ sagte einst Albert Einstein. Und dies ist nicht auf eine
bestimmte Gruppe von Menschen beschränkt. Denn kreative Ausdrucksformen finden sich in allen
gesellschaftlichen Gruppen, so auch bei Menschen, die aufgrund von Behinderungen oder
Psychiatrieerfahrung nicht Teil des akademischen Kunstbetriebs sind oder sich an dessen Rändern
bewegen. Sie schaffen Werke von großer Eindringlichkeit und Überzeugungskraft, die international als
„Outsider Art“ bekannt sind.

Der Begriff beschreibt nicht nur die besonderen sozialen Entstehungsbedingungen außerhalb des
akademischen Kunstbetriebs und die spezifischen Erfahrungen der ungelernten Künstlerinnen und
Künstler. Er bezieht sich auch auf die Tatsache, dass diese in der kulturellen Wahrnehmung
Außenseiter geblieben sind, obwohl sie mit ihren Werken nachhaltigen Eindruck auf Kulturschaffende
wie Pablo Picasso, Paul Klee oder Max Ernst ausgeübt hatten und diese auch in
öffentlichkeitswirksamen Räumen wie der Documenta in Kassel oder der Biennale in Venedig
Berücksichtigung fanden.

Lange Zeit galt „Outsider Art“ in der Kunstszene als Geheimtipp. Durch das Engagement von
Einrichtungen wie etwa betreuten Ateliers, wird ihre Entstehung gefördert und einer breiten
Öffentlichkeit zugänglich gemacht. So wie im Living Museum Alb der Bruderhaus Diakonie in
Münsingen-Buttenhausen. Das erste Living Museum Deutschlands ist ein inklusiver Ort der Teilhabe
und Begegnung, an dem Kunstmuseum und Atelier verschmelzen und Menschen mit und ohne
Behinderung dem Spaß an Sprache, Farbe, Klang und Ausdruck und somit ihrer Kreativität freien Lauf
lassen können.
Geboren wurde die Idee vor zwei Jahren im Kunstausschuss der Stadt Nürtingen. Der
Kunstwissenschaftler Dr. Tobias Wall brachte den Vorschlag ein, neue Wege für die
Sommerausstellung in der Kreuzkirche einzuschlagen und diese Kunstrichtung zu präsentieren, statt
etablierte Künstler anzufragen. Diese Überlegung stieß auch bei Prof. Dr. Tobias Loemke, Dekan
der Fakultät Umwelt Gestaltung Therapie an der HfWU, auf offene Ohren und so wuchs das Projekt
thematisch und inhaltlich.

Neben der Darstellung des Reichtums der „Outsider Art“ in Baden-Württemberg als wichtiger und
gleichberechtigter Teil der kulturellen Gegenwart, besteht ein weiteres Ziel dieses Projektes darin, über
die Kunst zu einem verantwortungsvollen und unbeschwerten Umgang mit Inklusion und Toleranz zu
verhelfen. „Kunst ist vielfältig und bunt – so wie unsere Gesellschaft. Daher wollen wir mit der
Präsentation und der Auseinandersetzung mit diesen besonderen Werken auch einen Beitrag zur
Öffnung leisten“, erläutert Kulturamtsleiterin Susanne Ackermann die Intention von „Coming In!“. Und
dieses Ansinnen stieß in der Nürtinger Kunstlandschaft auf durchweg positive Resonanz. „Ich freue
mich außerordentlich, dass sich alle Nürtinger Kunstinstitutionen daran beteiligen und wir zudem von
der Sammlung Prinzhorn Heidelberg unterstützt werden, welche die bedeutendste Sammlung für
„Outsider Art“ in Deutschland beherbergt“, ergänzt Oberbürgermeister Dr. Johannes Fridrich.

An der Nürtinger Veranstaltungsreihe nehmen die Sammlung Domnick, die Freie Kunstakademie
Nürtingen, die Fritz und Hildegard Ruoff Stiftung, der Kunstverein Nürtingen, das Forum Türk, der
SCHAURAUM des Provisoriums, das KulturCafé SprechZimmer, die Bodelschwinghschule, die
Lebenshilfe e.V. und der Trägerverein Freies Kinderhaus e.V. teil.
Besondere Inhalte verlangen auch besondere Konzepte. „Coming In!“ verbindet daher die beteiligten
Künstlerinnen und Künstler mit dem Publikum. Zudem wird die gezeigte Kunst durch Führungen und
interaktive Workshops direkt und auch zielgruppengerecht unter anderem an Kinder, Jugendliche und
Schulen vermittelt. Die Alte Seegrasspinnerei begleitet das Projekt mit einem eigenen Inklusionsfest
„Outside im Hof“ und einem inklusiven Workshop-Programm.

Das Eröffnungswochenende bietet bereits eine große Fülle an Möglichkeiten, sich dem Thema „Outsider
Art“ zu nähern. Den Auftakt bestreiten am 14. Juni die Hochschulstudiengänge Künstlerische Therapien
der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Die HfWU beteiligt sich im Rahmen
ihres 75-jährigen Jubiläums mit einer mehrteiligen Tagung auf dem Campus in der Sigmaringer Straße.
Dort öffnet ab 16.30 Uhr eine Ausstellung mit expressiver Malerei und Zeichnung aus unterschiedlichen
Schaffensperioden des Künstlers Normann Seibold, der an der Kunstakademie Karlsruhe studierte und
heute im Living Museum Alb arbeitet. Um 18 Uhr gibt Oberbürgermeister Dr. Fridrich dann in der
Kreuzkirche den offiziellen Startschuss für das Projekt und eröffnet zugleich die zentrale Ausstellung
des Kulturamts: Unter dem Titel „Farben.Froh.Leben!“ laden Künstlerinnen und Künstler aus fünf
bedeutenden betreuten Ateliers der Region zu einer Entdeckungsreise in ihre künstlerischen Welten
ein. Zu sehen sind Werke aus dem Living Art Museum in Münsingen-Buttenhausen, dem Kreativwerk
Höfingen, der Kreativen Werkstatt Diakonie Stetten, dem offenen Atelier Grafeneck und dem Atelier 5
in Mariaberg. Die unmittelbare Freude in Farbe und Experiment, welche sich an einer unkonventionellen
Bildsprache und großer Farbintensität bemerkbar machen, zeugt von einer unvergleichlichen
Schaffenskraft und kreativen Energie. Im Anschluss daran präsentiert der SCHAURAUM um 20 Uhr
eine Ausstellung des Nürtinger Künstlers Florian Müller, der an der Freien Kunstakademie Nürtingen
und der Kunstakademie Stuttgart studierte.

Im weiteren Verlauf bieten die verschiedenen Einrichtungen Führungen, Workshops und Vorträge an.
Das vollständige Programm ist unter www.coming-in-nuertingen.de abrufbar.