Aus Truppenübungsplatz wird Arkadien

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NÜRTINGEN. (üke) Die Studierenden der Fachhochschule Nürtingen bearbeiten immer häufiger Probleme, die den lokalen Entscheidungsträgern auf den Nägeln brennen: Studierende der Stadtplanung nahmen unlängst den Stadtteil Braike unter die Lupe und nun liegen Entwürfe vor, die Studierende der Landschaftsarchitektur für den Truppenübungsplatz Münsingen erarbeitet haben. Kurz vor Weihnachten präsentierten vier Gaststudierende der holländischen Hochschule Larenstein ihre Arbeiten den Nürtinger Kommilitonen.

Bereits zu Beginn des Dezember hatten die Studierenden des internationalen Studienganges International Master of Landscape Architecture (IMLA) ihre Arbeiten den Bürgermeistern und Kommunalvertretern der umliegenden Gemeinden des Münsinger Truppenübungsplatzes vorgestellt. Und die waren beeindruckt von dem, was die holländischen Studierenden sich an Plänen für das 6700 Hektar große Areal ausgedacht hatten. Das Projekt war ambitioniert und der Blick von außen, der völlig andere Blickwinkel der internationalen Studenten, stellte auch die Verantwortlichen an der Fachhochschule Nürtingen vor so manche Herausforderung. In dem Modul „Planen in Europa“ zu dem das Projekt gehörte, fanden zum Teil heftige kreative Auseinandersetzungen statt. Häufig vor Ort, aber auch über Videokonferenzen. Und so war für den Leiter des Projektes, Professor Dr. Roman Lenz, während der Planungsphase nicht immer erkennbar „ was ist nun deutsch, was holländisch und was ist international“?
Trotz dieses Wagnisses, die Entwürfe geben den betroffenen Gemeinden, Landkreisen und der Region wertvolle Hinweise, wie mit dem riesigen Areal umgegangen werden kann, wenn im Jahr 2005 die letzten Panzer das Gelände verlassen. Alle vier Konzepte zeigen, dass die Albgemeinden und vor allem die Menschen, eine Landschaft zurückerhalten, die Ihnen zum Teil über 100 Jahre lang versperrt war. Eine Landschaft der Widersprüche. Jesse Snijders formuliert dies in seiner Arbeit. Diese Fläche wurde durch die militärische Nutzung nun zu einem Ort des Friedens und der Ruhe. Und den gilt es zu erhalten. Im Gegensatz zu der umliegenden Landschaft wurde das Gelände durch Schafe beweidet, jedoch kaum anderweitig entwickelt und verändert. Im Schatten der militärischen Übungen entstand eine Fläche mit einem einmaligen ökologischen Wert und einer Vielfalt von Pflanzen und Vegetation, die es andernorts nicht mehr gibt. Alle Entwürfe befassen sich vor allem damit, wie diese neue Landschaft zugänglich gemacht und genutzt werden kann, ohne ihren Wert zu verlieren.
Jolanda van Looy versucht die optimale ökologische Struktur zu finden. Die Teile des Geländes, die die größte Vielfalt an Vegetation bieten, werden in ihrem Entwurf erhalten. Der Rest der Fläche erhält Funktionen für verschieden Arten der Nutzung: Erholung, Forschung, Freizeit aber immer in Verbindung mit der Ökologie. Barry Kerkhoffs will den Übungsplatz nutzen, um neue Horizonte zu eröffnen. Sogenannte „Impulspunkte“ in den Randbereichen des neuen Parks werden über Straßen erreicht, von dort können die Besucher die Hügellandschaft in ihrer Schönheit erleben. Kerhoffs orientiert sich dabei an der Vision Arkadiens, einem Idyll, das Sicherheit, Harmonie und Ruhe bietet. Als Vorbild für die Gestaltung dient im die Tradition der englischen Gartenkunst. Einer seiner Impulspunkte ist das ehemalige Dorf Gruorn, das 1937 aufgelöst wurde und von dem heute nur noch das ehemalige Schulhaus und die Kirche zu sehen sind. Dass rund um dieses Dorf intensive Landwirtschaft betrieben wurde, daran erinnert Peter van Baarn mit seiner Arbeit. Steinwälle und Obstbäume zeigen symbolisch den Zustand, als in Gruorn noch Ackerbau und Viehzucht an der Tagesordnung waren.
Zunächst pragmatisch ging Jesse Snijders vor. In seinem Entwurf erhalten die Gemeinden in der Nachbarschaft des Truppenübungsplatzes die Flächen zurück, die sie an das Militär verloren hatten. Das gibt Spielraum für neue Wohngebiete und Entwicklungsflächen. Die vielen Türme auf dem Gelände bleiben erhalten, neue kommen hinzu. Jeder Turm liegt in Sichtweite des nächsten. So knüpft Snijders über das gesamte Areal ein Netz von Sichtachsen. Der Park selbst gliedert sich in einen Naturpark, einen Wohnpark, einen Erlebnis- und Erholungspark.
Die Entwürfe der Studierenden haben eines gemeinsam: Sie sind mutig und bieten vor allem den unverstellten Blick von außen. Bei der Präsentation an der Fachhochschule mussten alle vier Studierenden dem kritischen Blick der deutschen und holländischen Professoren standhalten, die eigens aus Larenstein angereist waren. Die Planungen sind Visionen. Um herauszufinden, was davon verwirklicht werden kann, ist noch vieles an weiterer Planungsarbeit notwendig. Was bleibt ist jedoch die Erfahrung gemeinsamer Planungsarbeit der holländischen Studierenden mit ihren deutschen Kommilitonen: „Planen in Europa“, ganz so, wie es der Titel des Studienmoduls vorschreibt.