1. Nürtinger Finanzforum

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NÜRTINGEN. (üke) Wie korrupt sind Banken, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater? Schon die erste Frage sorgte für Spannung während der Podiumsdiskussion anlässlich des ersten Nürtinger Finanzforums an der Fachhochschule Nürtingen. "Finanzwesen im Wandel" nannte sich die ganztägige Veranstaltung, auf der sich am 27. Oktober Experten aus der Kredit- und Finanzwirtschaft mit professioneller Vermögensveraltung und dem Kreditrisikomanagement befassten. Der Höhepunkt war jedoch die Podiumsdiskussion zum Thema "Finanz und Moral". Das Nürtinger Finanzforum war die Auftaktveranstaltung zum neuen Studiengang "Internationales Finanzmanagement". Unterstützt wurde die Veranstaltung von der DGZ Dekabank Frankfurt.

Petra Rau, freie Wirtschaftsjournalistin, lockte das Podium mit der Frage nach der eigenen Korrumpiertheit aus der Reserve. Jedoch nicht ohne den Hinweis, dass Korruption kein Thema ist, das nur die Finanzwirtschaft betrifft. Jürgen Wöhler von der LBBW Landesbank Baden-Württemberg betonte, dass die Moral im Finanzbereich ein altes Thema sei. Schon in der Geschichte seien Banken an der Finanzierung von Kriegen beteiligt gewesen. Gerade dahin richte sich natürlich auch die Kritik aus der Öffentlichkeit. Wöhler nannte das Beispiel der Waffenexporte. Sei ein solches Geschäft von der Politik genehmigt, folge die Finanzierung durch die Banken. Die Banken sind jedoch offensichtlich auch nur selten in der Lage bei der Verwendung von Geldern eine regulierende Rolle zu spielen. Waffen würden von Entwicklungsländern in der Regel bar bezahlt. Die Banken dürften dann einspringen, wenn Kredite für Krankenhäuser und Flughäfen benötigt werden.
Die Diskussion bewegte sich schnell weg von der Ebene, bei der das moralisches Handeln der Finanzunternehmen selbst angesprochen ist. Die Diskussion betraf die aktuelle Debatte um die Börseneuphorie und die Rolle der Branche, wenn es um die Beratung geht. Dr. Peter Mathis, der als Vertreter der DGZ Dekabank in Frankfurt, einen großen Fondanbieter vertrat, machte klar, dass es letztlich die Kunden seien, die für den moralischen Anspruch bei Geldanlagen sorgen. "Wir sind nicht das Gewissen der Kunden". Als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sieht sich Rudolf X. Ruter von der Arthur Andersen Consulting jedoch klaren ethischen Maßstäben verpflichtet. Zu diesen müsse er sich schriftlich bekennen. Problematisch sei dagegen, welcher Moral man letztlich folge, der eigenen oder einer von außen definierten.
"Mit stinkt das Thema Finanz und Moral". Klaus Friedrich Otto, Chefredakteur der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, formulierte drastisch, dass es keine Moral der Finanzen, der Wirtschaft oder des Journalismus gebe. Es gebe nur die schlichte Frage, wann ist ein Verhalten unanständig und wann nicht. Wenn es innerhalb der Wirtschaft zu unlauterem Verhalten komme, werde dies weltweit unter dem gleichen Standard gesehen. Petra Rau versuchte nochmals die Diskutanten bei der Ehre zu packen. "Wie passiert dann sowas wie bei Flowtex?" Banken, Wirtschaftsprüfer und andere hätten doch das Geschäftsgebaren dieser Firma mitgetragen? Für Wöhler war dies eine klare Ursache dafür, wie die Aussicht auf gute Geschäfte das eigene Urteil blendet. Erst als die Erträge in Aussicht standen, hätten viele die Augen verschlossen. Klaus Friedrich Otto führte das Flowtex Desaster auch auf den Druck der Märkte zurück. Jeder Bankvorstand giere danach, gute Ergebnisse vorzulegen. Zwangsläufig führe der Druck der Märkte dazu, die Meßlatte für das eigene Handeln so tief wie möglich zu legen.
Die Gier nach guten Geschäften sieht Dr. Mathis auch bei vielen anderen Anlegern. Gewagte und riskante Aktienanlagen sind immer in der Verantwortung der Anleger, weniger in der der Fondanbieter oder Anlageberater. Jeder müsse selbst wissen was er tut. Wer Aktien kaufe, kaufe Risiko. Die Eigenverantwortung werde von vielen Anlegern auch Kleinanlegern unterschätzt. Dabei gelte auch hier die schlichte Wahrheit: "Wenn es auf der Party zu heiss wird, sollte man in der Nähe der Tür tanzen". Die Entwicklung auf dem neuen Markt habe dies deutlich gezeigt. Ob Banken, Börse oder Berater, unmoralisches Handeln ist keiner Branche fremd, dies zeigte die Diskussion deutlich. Delegieren lässt sich Moral auch nicht, möglich ist letztlich alles - wenn dies die Kunden wollen.