„Wir brauchen jede helfende Hand“

Published at |

Nurhat Gümüsboga (links) mit seinen Schülern: „Lernen lohnt sich“.

- Studierende der HfWU arbeiten an der Mörikeschule als Jugendbegleiter -

NÜRTINGEN. (üke) Leila (Name geändert!) ist neun Jahre alt und geht gerne zur Schule. Sie ist wissbegierig und fleißig aber trotzdem gibt es Probleme: „Mein Deutsch ist nicht so gut. Ich verstehe alles, aber ich weiß bei manchen Wörtern nicht, was sie bedeuten“. In Mathe hätte die Schülerin der Nürtinger Mörikeschule eigentlich keine Schwierigkeiten. Wenn nur die Textaufgaben nicht wären. Da sie die Begriffe nicht versteht, weiß Leila gar nicht, wie sie mit den Aufgaben beginnen soll. Judith Wallner hilft Leila auf die Sprünge. Jede Woche lernt die HfWU-Studentin mit der Schülerin und hilft ihr bei den Hausaufgaben.

Judith Wallner studiert im siebten Semester Volkswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen. Nebenher arbeitet sie ehrenamtlich als Jugendbegleiterin an der Mörikeschule. Sie ist nicht die einzige Studentin der örtlichen Hochschule, die sich neben dem Studium an der Grund- und Hauptschule engagiert: Acht Studierende, hauptsächlich aus den Studiengängen VWL und Internationales Finanzmanagement, helfen Schülern, ihre Schwierigkeiten in der deutschen Sprache aber auch in anderen Fächern zu überwinden. Konrektorin Viola Berlin lobt das Engagement der Studierenden: „Wir brauchen jede helfende Hand und die Studenten verzichten sogar auf die Bezahlung“. Begonnen hat das Ganze vor zwei Jahren: Der Heilbronner Nurhat Gümüsboga kam zum Studium nach Nürtingen und arbeitete ehrenamtlich bei der Esslinger Tafel. Dort war er vor allem mit der Perspektivlosigkeit vieler Eltern mit Migrationshintergrund konfrontiert, die deren Kinder ungefiltert aufsaugten. „Für die Kinder gab es nur das Beispiel der Eltern. Da wollte ich was tun, den Kindern ein Beispiel geben und Vorbild dafür sein, dass es auch anders geht.“

 

Hannes Wetzel, der Leiter des Nürtinger Bürgertreffs, vermittelte Nurhat Gümüsboga an die Mörikeschule, sehr zur Freude von Viola Berlin. Zwei Mal in der Woche lernt er nun seit zwei Jahren mit fünf Kindern vor allem Deutsch. Und das Ergebnis stimmt, die Noten werden besser. Die meisten Schüler haben einen Migrationshintergrund. Sie sind zwar in Deutschland geboren und sprechen aber zuhause nur ihre ehemalige Muttersprache. Gümüsboga, selbst mit Migrationshintergrund, steht dagegen für einen anderen Weg: „Ich bin Deutscher und Deutsch ist meine Muttersprache“. Der VWL-Student will die Minderwertigkeitskomplexe der Kinder aufbrechen: „Ich will zeigen, dass sich das Lernen lohnt. Wenn das in den Köpfen hängen bleibt, dann hat man schon gewonnen“. Am Willen der Schüler mangelt es in der Mörikeschule nicht. Viola Berlin ist sich sicher, dass es einige ihrer Schüler auf das Gymnasium schaffen könnten, „das scheitert aber an der individuellen Betreuung“. Hinzu kommt, dass viele Eltern durchaus wissen, dass ihre Kinder Hilfe brauchen, sich aber die Unterstützung finanziell nicht leisten können.  

 

Die HfWU Studenten springen hier ein und leisten wertvolle Hilfe. Ihr Engagement passt zum Profil der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, die sich der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet sieht. Hochschulrektor Professor Dr. Werner Ziegler bringt es auf den Punkt: „Wir wollen nachhaltig in die Gesellschaft hinein wirken, so steht es in unserem Leitbild. Was unsere Studierenden freiwillig hier leisten, ist dazu ein wichtiger Beitrag“. Dank Gümüsbogas Mundpropaganda ist auch Judith Wallner an der Mörikeschule gelandet. Und sie ist richtig stolz auf ihre Schülerin: „Leila ist fleißig und schlau, vor allem macht das Lernen mit ihr richtig Spaß“. Auch Leila ist mit ihrer Jugendbegleiterin zufrieden. Nurhat Gümüsboga sieht sich als jemanden, der zwischen den Lehrern und den Eltern steht. „Es ist leichter für uns, eine Beziehung zu den Schülern aufzubauen. Und manchmal finden die Schüler es einfach nur cool, mit einem Studenten zu lernen. Mit uns werden sie zum ersten Mal mit der akademischen Welt konfrontiert. Wer weiß, vielleicht schafft es einer unserer Schüler sogar einmal an die Hochschule“. Der Bedarf an Jugendhelfern ist groß. Die HfWU Studierenden könnten mehr Schülern helfen, aber sie konzentrieren sich auf die echten Problemfälle. Viola Berlin wünscht sich noch mehr Nürtinger Studenten in ihrer Schule. Um ein Kind zu erziehen, brauche man ein ganzes Dorf, die Studenten tragen dazu bei: „Die Eltern sind glücklich, die Lehrer sind glücklich, die Kinder sind glücklich – was will man mehr?  "Die Mörikeschule kann noch weitere Jugendbegleiter brauchen, Informationen gibt es via E-Mail ssl@no spammoerike.schule.bwl.de

Gerhard Schmücker, 10.12.2010