Wenn vier Postboten klingeln

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Dr. Thomas Beyerle

- Dr. Thomas Beyerle sprach an der HfWU im Rahmen der Reihe „Immobilienmarketing und Maklerwesen“ zu (fehlenden) City-Logistikkonzepten -

GEISLINGEN (hfwu). In der Vorweihnachtszeit werden bis zu 15 Millionen Pakete täglich ausgeliefert. Das Problem bei der Zustellung ist „die letzte Meile“: verschiedene Zusteller beliefern die gleiche Adresse. Ein innerstädtisches Logistik-Konzept, bei dem die Paketdienste zusammenarbeiten, fehlt. Welche Maßnahmen Abhilfe schaffen könnten, erläuterte Dr. Thomas Beyerle bei einem Vortrag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU).

Beyerle sprach an der HfWU in Geislingen (Steige) im Rahmen der Vortragsreihe „Immobilienmarketing und Maklerwesen“ von HfWU-Professor Dr. Stephan Kippes. „Der Begriff der ‚letzten Meile‘ bringt die Problematik bei der Umsetzung von City-Logistik-Konzepten auf den Punkt“, so der Geschäftsführer der Frankfurter Catella Property Valuation GmbH. „Der Kern des Problems liegt, wie bei so vielen Themenschwerpunkten, in den gestiegenen Kundenanforderungen und dem geänderten Konsumentenverhalten zu Zeiten des E-Commerce und Mobile Shopping“. Damit würden die ausliefernden Unternehmen vor enorme Herausforderungen mit Blick auf eine wirtschaftliche Tourenplanung und Paketzustellung gestellt. In der Konsequenz müssten die Unternehmen in die Lage versetzt werden, die gestückelten Warensendungen so zu bündeln, dass kurze, schnelle und effiziente Touren in die urbanen Zustellgebiete gefahren werden können. „Auch und gerade um so die Zustellkosten so niedrig wie möglich zu halten und eine – vom Kunden maßgeblich geforderte – hohe Termintreue einzuhalten.“

Beyerle sieht einen Dreiklang von Maßnahmen, welche es zu beachten gelte: Mit einer Tourenverdichtung könnte die die Anzahl von Stopps innerhalb einer Ausliefertour bei gleichzeitiger Verkürzung der Abstände zwischen den Stopps erhöht werden. Mit einer Sendungsverdichtung erhöhten sich die pro Warenempfänger ausgelieferten Sendungen. Über eine Sendungsverdichtung könnte zusätzlich zur Stoppzahlverringerung die Entladezeit je Sendung reduziert werden. Die Fahrzeugumlaufzeit würde sich entsprechend erhöhen. Als dritte Maßnahme rät Beyerle zu einer Auslastungsoptimierung. Durch unternehmensübergreifende Sendungskonsolidierung können Poolingeffekte entstehen, welche zu einer höheren, durchschnittlichen Startauslastung je Tour führen. „Dass Zustellkonzepte auf Basis von sogenannten Mikrodepots eine sehr gute Antwort auf die Herausforderungen des wachsenden innerstädtischen Verkehrs sein können, steht dabei außer Frage“, ist sich der Immobilienexperte sicher. Gleichwohl gebe es nicht die perfekte Lösung für jede Stadt. Diese seien gefangen in der Problematik: „Ware zum Kunden – Kunden zur Ware, Lagerflächenknappheit, Zufahrtsregelungen und reglementierte Zeitfenster für den Warenaustausch“.

Das Fazit des Referenten: „Die grundsätzliche Problematik ist dabei immer die des ‚wo kein marktgängiges Angebot, da keine Marktumsetzung‘ bzw. die Fortführung der unternehmensinternen Lösungen.“ Zwar vergehe keine Konferenz auf dem der Begriff der "letzten Meile" bzw. der City-Logistik nicht strapaziert werde. „Leider lässt sich jedoch nur eine geringe Nachfrage nach City-Logistik-Konzepten von Investoren ableiten. Wie auch, wenn sich allesamt im exemplarischen Modus befinden.“ Im Einzelfall sei dies sicherlich beeindruckend, faktisch blieben sie jedoch nur Insellösungen. Nicht zuletzt aufgrund der traditionellen Risikoaversion der Kapitalgeber, fokussierten sich diese weiterhin auf die großflächigen Logistikzentren im weiteren Umfeld der Ballungszentren mit den bekannten Negativeffekten in der Auslieferung. Hier sieht Beyerle eine Chance für konventionelle Objekte, wenngleich diese im mittelfristigen Zeitverlauf an Nachfragekraft sicher einbüßen würden.

Aufgrund des Mangels an „grünen Wiesen“, liege der Fokus bei der Entwicklung von neuen Logistikprojekten zwangsläufig auf „Brownfield-Flächen“, der Nutzung von ehemaligen Industrieflächen. Mit dem sogenannten Light industrial findet nach Einschätzung von Beyerle der Begriff der City-Logistik zumindest operativ ein Fenster, welches auf die Marktgängigkeit zu überprüfen wäre. Kooperation versus Amazonisierung sei hier ein Schlagwort. Aber solange sich jeder Dienstleister nur individuell optimiere, werde das heute so allgegenwärtige Bild von einer Vielzahl an Fahrzeugen verschiedener Zustelldienste, die ihre Pakete an identische Warenempfänger liefern, bestehen bleiben. Das Lastenfahrrad werde so zur „Brückentechnologie“ bei der Umsetzung der letzten Meile. „Wie es scheint, sind wir bei manchen strategischen Entscheidungen offensichtlich zu früh abgebogen“, so das Fazit von Beyerle.