Was sind Immobilien wert?

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Sechs Experten beleuchteten die Wertermittlung für Immobilien aus allen denkbaren Facetten: (V.l.n.r.) Stephan Rohloff, Heiko Rogg, Udo Bachmann, Martin Brühl, Professor Dr. Gerrit Leopoldsberger (MRICS) und Professor Dipl.-Ing. Wolfgang Kleiber.

Sechs Experten beleuchteten die Wertermittlung für Immobilien aus allen denkbaren Facetten: (V.l.n.r.) Stephan Rohloff, Heiko Rogg, Udo Bachmann, Martin Brühl, Professor Dr. Gerrit Leopoldsberger (MRICS) und Professor Dipl.-Ing. Wolfgang Kleiber.

- Immobilienkongress an der Hochschule Nürtingen –
GEISLINGEN. (üke) Volles Haus in der Jahnhalle. Der Immobilienkongress an der Hochschule Nürtingen entwickelt sich zu der wichtigsten Veranstaltung an dem Geislinger Hochschulstandort. „Wertermittlung & Werterhaltung“ war das diesjährige Thema des Kongresses. 180 Teilnehmer, Studierende und Gäste aus der gesamten Immobilienwirtschaft, füllten die Jahnhalle bis zur letzten Reihe.

Wieder einmal war es dem Leiter des Studienganges Immobilienwirtschaft, Professor Dr. Hansjörg Bach, gelungen, mit dem Kongress Experten nach Geislingen zu locken, die normalerweise in Frankfurt, München oder auch London und New York für die großen Immobiliengeschäfte zuständig sind. Für einen von ihnen war es allerdings ein Heimspiel. Martin Brühl, bei der Frankfurter Unternehmensgruppe Cushmann & Wakefield Healey & Baker, verdiente sich seine ersten Sporen durch eine Banklehre in Geislingen. Nach dem Studium in London machte Brühl in verschiedenen Unternehmen Karriere und gehört heute zu den gefragten Experten in der internationalen Immobilienbewertung. Er bemängelt im Blick auf den heimischen Immobilienmark, dass ausländische Investoren und deutsche Anbieter nicht die selbe Sprache sprechen.
Nun ist es nicht so, dass das internationale Kapital Deutschland nicht wahrnimmt. Brühl, stellt den hiesigen Markt als durchaus interessant für Anleger dar. Post, Telekom und die Bahn bieten allein Flächen zum Verkauf, die als Neuland für Bauvorhaben mehrerer Generationen zur Verfügung stehen. Allein woran es mangelt seien Verfahren, die den Wert der Grundstücke festlegen, die internationalen Standards entsprechen. „Wer in Deutschland investieren will, der kann was erleben“. Brühl wusste von einigen Beispielen zu berichten, bei denen Immobiliengeschäfte kurz vor Schluss noch scheiterten, weil vor allem öffentliche Verkäufer mit überzogenen Werterwartungen in die Verhandlungen gingen. Ausländische Investoren würden in Deutschland häufig brüskiert. Dies, obwohl ein hoher Investitionsdruck bestehe. Deutsche Firmen wollen Flächen verkaufen, um die eigene Bilanz aufzubessern. Deutschland komme laut Brühl nicht darum herum, die Internationalen Bewertungsstandards anzuwenden. Nationale Regularien würden im internationalen Geschäft nicht mehr akzeptiert.
Professor Wolfgang Kleiber, Ministerialrat im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und in der Branche als „Immobilienpapst“ bekannt, konnte dieser Argumentation nicht folgen. Im Gegenteil, im Blick auf ausländische Gutachterverfahren zieht Kleiber ein eindeutiges Resümee: „Primitiv, primitiv, primitiv“. Die deutsche Verkehrswertpraxis sei dagegen „erste Sahne“. Im Grunde war und ist diese Praxis weit fortschrittlicher als anderswo, allein sie wurde schlecht verkauft. Kleiber lehnt die internationalen Methoden nicht ab. Im Gegenteil. Er stimmt Brühl über den Nutzen der Regeln zu, wünscht sich jedoch eine Verbindung von nationalen und internationalen Regelungen, um die Vorteile beider zu nutzen. Kleiber sieht durchaus, dass die Märkte eine einheitliche Sprachregelung benötigen. Trotzdem bleibe die Verkehrswertermittlung zuallererst eine nationale Aufgabe. Dabei steht immer noch die Qualität der verfügbaren Daten im Vordergrund. Dr. Rolf Scheffler, Leiter der Aengevelt-Research, befasst sich mit professionellen Marktanalysen, um die Wertermittlung von Immobilien zu verbessern. Offizielle Statistiken reichen dabei nicht aus. Er plädierte für eine detaillierte Datenbasis, die dann für die Prognosen verwendet werden kann.
Udo Bachmann gab ein Beispiel, wie Wohnungsunternehmen um die Wertsteigerung ihres Bestandes bemüht sind. Die GAGFAH in Essen, der Bachmann vorsteht, verwaltet den Immobilienbesitz der Bundesanstalt für Angestellte und ist selbst in der Vermarktung dieser Wohnungen auch gegenüber internationalen Investoren aktiv. Die GAGFAH gilt als eines der größten Immobilienunternehmen der Bundesrepublik. Bachmann richtete sein Augenmerk darauf, keine kurzfristige Gewinnsteigerung zu erreichen. Sein Konzept der Unternehmensführung steht auf drei Stufen der Wertschöpfung, um den Wert des Unternehmens kontinuierlich zu erhöhen.
Nicht allein die Steigerung, sondern Methoden den Wert zu erhalten standen im Vordergrund der Beiträge der anderen Referenten. Heiko Rogg, Sprecher der Geschäftsleitung der agemis, widmete sich vor allem der Kostensenkung. Große Immobilienunternehmen müssten vor allem bei der Instandhaltung und Instandsetzung mit einem modernen Gebäudemanagement die Kosten reduzieren.
Neben professionellen Marktanalysen für die Immobilienbewertung werden auch hierzulande komplexe IT-gestützte Verfahren verwendet, um die Bewertungspraxis zu verbessern. Stephan Rohloff, Marketingdirektor der Aareon AG, beschrieb die Instrumente, die sein Unternehmen der Branche zur Verfügung stellt. Die Aareon AG ist Marktführer in ihrem Geschäftsfeld. Instandhaltung und Modernisierung sind der Schlüssel zum Werterhalt einer Immobilie. Peter-Hans Forster, Leiter der Flächenoptimierung der Deutschen Telekom, schilderte ein Szenario, in dem die einzelnen Objekte des Bestandes ständig überprüft werden. Macht deren einzelne Modernisierung im Blick auf die individuellen Nutzer Sinn, dann steigert sich der Wert des gesamten Bestandes.
Gerhard Schmücker, 10.11.2003