Therapeutische Landschaften

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Foto: (ls/HfWU) Angehörige aus der therapeutischen Berufspraxis diskutierten mit Hochschulvertretern über die Entwicklungen in den therapeutischen Studiengängen nach deren Integration in die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt.

- Podiumsdiskussion zur HKT-Integration an Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) -

NÜRTINGEN. (hfwu) Seit rund einem Jahr ist die ehemalige Hochschule für Kunsttherapie in die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) integriert. Nun haben sich externe Partner, mögliche Arbeitgeber, Anbieter von Praxisstellen und Ehemalige über die neuen Möglichkeiten der Hochschulstudiengänge künstlerische Therapien an der HfWU informiert.

Die Fakultät Landschaftsarchitektur, Umwelt- und Stadtplanung hatte die HKT-Studiengänge aufgenommen, gemeinsam bilden sie nun die Fakultät FLUS-HKT. Welche neuen Chancen und Ideen sich für die gemeinsame Arbeit entwickeln war das Thema einer Podiumsdiskussion an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) am vergangenen Freitag, 20. Oktober. Die Mitglieder der Fakultät äußerten sich hoffnungsfroh und engagiert angesichts des aktuellen Standes der Integration.

Prof. Dr. Roman Lenz, Dekan der Fakultät LUS, zu der die HKT nun gehört, erklärte: „Wir wachsen zusammen.“ Die neue Stufe der Integration sei zuletzt im Fakultätsrat einstimmig beschlossen worden. Nun könne man den Blick weiten, etwa auf gemeinsame Forschungsfragen. Das Konzept der „therapeutischen Landschaften“ stand im Raum, eine mögliche Verbindungsstelle von Landschaftsarchitekten und künstlerischen Therapeuten. Sogar die Idee eines gemeinsamen Studiengangs wurde erwähnt. „Ich freue mich auf die kommende Arbeit“, so Lenz.

Auch Prof. Eva Meschede, Studiendekanin des Bachelorstudiengangs Kunsttherapie, ist optimistisch: „Wir haben es geschafft, diese sehr komplexen Studiengänge Kunst- und Theatertherapie, mit Praxissemester und vielen weiteren Anforderungen, gut in die neue Ordnung zu überführen. Jetzt ist es an der Zeit zu schauen: Wo können wir uns weiter vernetzen, Ideen sprudeln lassen und etwas Eigenes schaffen. Jetzt beginnt etwas Kreatives.“ Zudem betonte Meschede erneut einen der größten Vorteile des Zusammenschlusses für die Studierenden: Den Wegfall der Studiengebühren. Prof. Dr. Ulrich Elbing verglich den Zusammenschluss von HfWU und HKT mit einem Brexit in die andere Richtung, und zwar in die richtige: In die zu mehr Einigkeit und Integration. Früher sei man auf der kleinen Insel HKT auf der linken Straßenseite gefahren. Das Fahren auf der rechten Seite musste man lernen. „Doch nun kommt Routine ins Fahren“, so Elbing. „Jetzt können wir uns beim Fahren die Landschaft draußen anschauen.“ Der vierte auf dem Podium war Prof. Johannes Junker, Prodekan der FLUS-HKT. Er freute sich über die guten persönlichen Kontakte zu den neuen KollegInnen und betonte, die kleine HKT mit ihren rund 300 Studierenden sei in der großen HfWU mit rund 5500 Studierenden ein „kleiner Partner auf Augenhöhe“. Weiter sagte er, die Orchidee künstlerische Therapien werde von den anderen HfWU-Mitgliedern sehr geschätzt.

Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen der ganztägigen Veranstaltung „Szenenwechsel – Fortbildung für PraxisanleiterInnen und Alumni“ an der HKT statt. Diese Tagung fand an der damals noch privaten Hochschule einmal jährlich statt. Nun wurde die Veranstaltung zum ersten Mal im neuen Rahmen der HfWU ausgetragen, und traf sofort auf große Resonanz. Die Tradition soll von nun an wieder im Jahrestakt fortgesetzt werden.

Rund 100 Menschen kamen am Freitag zu den Workshops und Vorträgen nach Nürtingen. Unter Ihnen waren vor allem MitarbeiterInnen aus Kliniken und sozialen Einrichtungen des ganzen deutschsprachigen Raums, sowie ehemalige Studierende der HKT. Als AnleiterInnen im Praxissemester der Studierenden sind sie für die HfWU-HKT von großer Bedeutung. Die praktischen Arbeitsgruppen am Vormittag kamen bei den Anwesenden sehr gut an. Angeboten wurde ein bunter Mix – sowohl praktische Anleitungen wie „Zeugnisse schreiben“, als auch kreative Workshops wie „AUS mit der BILDUNG – Einladung zum handlungsbezogenen Nachdenken über den Umgang mit der Theorie-Praxis-Dissonanz“ standen auf dem Programm.

Anna Jaißel nahm am Workshop „Zwischen Lehren und Lernen – Anleiten in der Praxis“ teil. Die Musiktherapeutin arbeitet im Haus Aichele, Psychotherapeutisches Kinderheim, und betreut derzeit einen Studierenden aus Nürtingen. Der angehende Theatertherapeut packt ein halbes Jahr in der Einrichtung mit an. „Es war gut für mich, einen Eindruck davon zu bekommen, was und wie man hier in Nürtingen lernt“, so Jaißel zu den Workshops. Auch Christoph Braendle von der Psychiatrie Baselland in der Schweiz war von den Arbeitsgruppen begeistert. Braendle ist selbst bereits erfahren im Leiten von therapeutischen Theatergruppen, nahm aber dennoch an der praktischen Gruppe „Einblicke in die Theatertherapie“ teil. „Es war ein super Workshop“, so der Therapeut. „Wir waren sehr aktiv. Es war interessant für mich, die Perspektive zu wechseln, mal wieder Teilnehmer zu sein.“ Am beliebtesten war der Workshop von Prof. Dr. Jürgen Fritsche zum Thema „Welche Kunst braucht die Praxis?“ Hier wurde intensiv diskutiert über künstlerische Prozesse.

Der Nachmittag startete mit Vorträgen. Zu diesem Zeitpunkt kamen auch Studierende mit hinzu. Schließlich bot sich hier die Gelegenheit, Dr. Georg Franzen zu hören, den viele angehende Kunsttherapeuten zwar in ihrer Bachelor-Arbeit zitieren, doch selten direkt erleben können. Franzen referierte über den Hundertwasser-Bahnhof in Uelzen und seine Erfahrungen mit Patienten beim Begehen des Kunstwerks. Danach sprach Prof. Dr. Ralf Bolle, Psychotherapeut und Dozent an der FLUS-HKT, zum Umgang mit Whatsapp, Videospielen und Co. in der Kunsttherapie. Mit viel Humor und praktischen Beispielen brachte er die Zuhörenden zum Lachen und zum Nachdenken.

Zum Abschluss des lehrreichen Tages spielte das „Schwebende Orchester“ aus der Diakonie Stetten, ein Ensemble in dem MusikerInnen mit und ohne Behinderung gemeinsam musizieren. Ein fröhlicher Abschluss für eine gelungene Fortbildung, die vor allem eines klar zum Ausdruck brachte: Die HKT ist anderthalb Jahre nach dem Zusammenschluss mit der HfWU keinesfalls aus dem Blick der therapeutischen Arbeitswelt verschwunden, sondern aktiv und präsent wie immer.

 

 

Laura Schlegel