SUV statt Isabella

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Foto (hfwu/üke): Der Chef der Borgward Group AG Ulrich Walker und der Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) HfWU-Professor Dr. Willi Diez.

Rückkehr einer Marke - Borgward-Chef spricht an der HfWU

NÜRTINGEN (hfwu/üke). Borgward, der Name steht für Pioniergeist, Ingenieurskunst und für einen automobilen Mythos. Mit chinesischem Kapital und deutscher Automobilexpertise soll die Kultmarke aus den 1950er Jahren wiederbelebt werden. Ulrich Walker, der Chef der Borgward AG, beschrieb vor vollem Haus an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, wie dieser Wunschtraum Realität werden soll.  

„Wie soll das gehen“, fragten sich viele Experten aus der Branche, als vor zehn Jahren erstmalig Gerüchte die Runde machten, dass Borgward wieder auf die Straße zurückkehren sollte. Auch HfWU-Automobilprofessor Dr. Willi Diez machte bei der Begrüßung von Ulrich Walker keinen Hehl daraus, dass auch er bezweifelte, dass die Welt auf Borgward warten würde. Bis zu jenem Tag als er hörte, dass Ulrich Walker das Ruder bei Borgward übernehmen würde. „Jetzt wird es ernst“, so zitierte Diez seine eigene Reaktion. Ulrich Walker schaut auf eine über 20-jährige Karriere im Daimlerkonzern zurück, während der er nahezu alle Bereiche des Autoherstellers durchlaufen hatte. Von der Produktion bis zum Vertrieb beherrscht Walker die gesamte Klaviatur des Managements. Dazu kommt ein Netzwerk in die gesamte Branche hinein und Führungserfahrung in mehreren asiatischen Ländern. Laut der Diez genau der richtige Mann, um eine Automobilmarke neu zu erfinden. „Sie haben derzeit den spannendsten Job in der Branche, bei der spannendsten Marke“, so Diez.   

Eine Marke, die jüngeren Generationen kaum noch bekannt ist, bei den älteren ist dies anders: Mit Modellen, die auf Namen wie Arabella und Isabella hörten, schrieb Borgward im Deutschland der Nachkriegsjahre Industriegeschichte. Und nicht nur dort: Bei über einer Million verkaufter Fahrzeuge, ging jedes fünfte Auto in den Export, ein Drittel davon in die USA. Noch heute finden sich in Kalifornien gut erhaltene Exemplare des Bremer Autobauers. Borgward war zu dieser Zeit der drittgrößte Autobauer noch vor Mercedes und BMW. Ein Premiumanbieter, der für Design und Innovation stand. Luftfederung und Einspritzmotoren wurden bei Borgward erfunden.  

An diese Kombination aus Qualitätsanspruch und Innovation will der wiederbelebte Borgward anknüpfen. Die Strategie der Rückkehr der Marke ist dabei von kühlem Rationalismus geprägt. Vom Firmensitz in Stuttgart aus, der die deutsche DNA der Marke trägt, läuft ab dem nächsten Frühjahr 60 Kilometer nördlich von Peking die Serienproduktion an. Die Fabrik hat eine Kapazität von 360.000 Fahrzeugen. Kein Risiko beim Start lautet die Devise: Es rollt ein Fahrzeug aus der Kategorie mit den größten Absatzahlen auf den Markt, der immer noch am stärksten wächst: Ein SUV für China. In einem weiteren Schritt sollen dann die Wachstumsmärkte in Indien, Russland folgen. Erst 2017 folgt dann der Markteintritt in Deutschland. Borgward will in Deutschland ausschliesslich mit Plug-in-Hybrid und reinen Elektrofahrzeugen starten. In den Schwellenmärkten werden es zu Beginn Verbrennungsmotoren sein.

Borgward will den Umbruch in der Automobilindustrie nutzen und als „leistbare Premiummarke“ konsequent auf Digitalisierung, Design, Sicherheit und Nachhaltigkeit setzen. „Wir setzen auf elektrisches Fahren und das Internet“, so Walker, der den Schwung eines neuen und jungen Unternehmens nutzen will, um eingetretene Pfade zu verlassen. „Beim CO-2 Ausstoß wollen wir in Europa eine Vorreiterrolle spielen“. Borgward hat, dies macht Walker deutlich, Zeit und Geduld. Auch deshalb will sich der Borgward-Chef auf keine Stückzahlen oder Renditen festlegen. Seinen Optimismus schöpft er aus der Kombination solider Finanzen, technologischer Innovation und einer geschichtsträchtigen Marke. Ab dem kommenden Jahr will er den Mitarbeiterstamm mit zunehmend jungen, risikobereiten und zielstrebigen Mitarbeitern besetzen. An der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt rennt er damit offene Türen ein: Nach Walkers Vortrag an der HfWU, werden die Studierenden der Automobilwirtschaft ihre Unterlagen nicht nur nach Untertürkheim und Zuffenhausen senden - es gibt eine neue Autoadresse in Stuttgart.  

Gerhard Schmücker
Nürtingen, den 09.12.2015