Solarenergie lohnt sich: Langfristig und nachhaltig

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Foto (Julia Balko): Großes Interesse am Solartag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt.

- Solartag in Nürtingen -

NÜRTINGEN. (hfwu) „In einer historisch bedeutsamen Zeit“, wie Prorektor Prof. Dr. Willfried Nobel formulierte, fand an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt der  „Solartag Nürtingen“ statt. Kurz zuvor hatte der Bundestag den Atomausstieg beschlossen. Diese Lücke müsse durch erneuerbare Energien geschlossen werden. Andreas Erwerle, technischer Beigeordneter der Stadt Nürtingen, wies darauf hin, wie wichtig Informationsplattformen zu Solarenergie sind. Er selbst habe vor seinem Umzug nach Nürtingen nachschauen lassen, wie seine Dachfläche für eine solarenergetische Nutzung geeignet sei. „Top“, habe ihm der Energieberater versichert, „sowohl für Solarthermie als auch für Photovoltaik“. Prof. Dr. Roman Lenz beschrieb die Expertise der Hochschule im Bereich der Verarbeitung von Geoinformationen. Mit der Erstellung des landschaftsökologischen Atlas habe man schon vor über 15 Jahren als eine der ersten Hochschulen Geodaten elektronisch verarbeitet. Pof. Dr. Georg Förster betonte, dass die HfWU neutral sei und bei den Solarpotenzialkatastern keine Interessen verfolge.

Otmar Braune, Mitverfasser der BUND Studie „Vision Solarstadt 2046“ lieferte einen fiktiven Blick aus dem Jahr 2046, dem 1000jährigen Jubiläum Nürtingens, zurück in unsere heutige Zeit. Den Menschen von 2046 ist es unverständlich wie verschwenderisch wir mit den fossilen Energiequellen umgegangen sind. Das öffentliche Nahverkehrsnetz ist optimal ausgebaut und kurze Strecken legt jeder mit dem Rad zurück. Das düstere Gegenteil: Die sinkende Ölförderung bei steigender Nachfrage führe zu Wirtschaftskrisen. Inflationen und Staatsbankrotte sind die Folge, Massenarbeitslosigkeit und Hungersnöte drohen. Dem kann heute entgegengewirkt werden, wenn die Abhängigkeit von Öl, Gas Kohle und reduziert wird.

Der Waldkircher Oberbürgermeister Richard Leibinger war 1998 der Mitgründer der Stadtwerke Waldkirch. Er weiß, welche Steine im Weg liegen, wenn es um die Übernahme von Netzkonzessionen und die Gründung eigener Stadtwerke geht. Überteuerte Preisvorstellungen bei Konzessionsabgaben und Interessensverflechtungen von Genehmigungsbehörden mit Energieversorgungsunternehmen sind dabei nur einige Beispiele. Trotzdem lohne sich dieser Schritt haushalts- und kommunalwirtschaftlich auch unter heutigen Rahmenbedingungen. Durch die Gründung eigener Stadtwerke schafft man vor Ort Arbeitsplatze, stärkt die Kaufkraft und fördert das Handwerk.

Die solarcomplex AG baut im Bodenseeraum unter anderem Bioenergiedörfer. Mit einem Nahwärmenetz nutzen diese Dörfer die Abwärme von Biogasanlagen. In konventionellen Anlagen wird die Abwärme buchstäblich in die Luft geblasen. Durch die Bioenergiedörfer ergeben sich laut Firmenmitgründer Bene Müller auf lokaler Ebene sehr positive Folgeeffekte. Die Energiekosten für die Haushalte sinken und das Geld bleibt vor Ort weil es in die Energieproduktion und nicht in Öllieferungen investiert wird. In den Bioenergiedörfern wird mehr Energie produziert als verbraucht, der Überschuss wird verkauft. In Zukunft könnten damit auch Kommunen versorgt werden.

Gerd Kicherer arbeitet für die Energieagentur des Landkreises Esslingen vor. Sie berät Hauseigentümer, Mieter, Planer, Handwerker und Unternehmen bei Gebäudemodernisierungen, Neubauten und dem Betrieb technischer Anlagen. Ein Energieberater betreut je nach Region etwa 40.000 Personen. Bei der Altbausanierung aber auch für Neubauten gelten gesetzliche Anforderungen. Schon wegen den möglichen Finanzierungsmöglichkeiten herrscht bei den Bürgern ein hoher Beratungsbedarf. Die Energieagentur berät in allen Fällen unabhängig von wirtschaftlichen Interessen. Christian Tilk ist als Leiter des CAD/GIS-Labors der Hochschule Nürtingen-Geislingen maßgeblich an der Entwicklung der Solarpotenzialkataster für Nürtingen und Waldkirch beteiligt. Er beschrieb die Informationsmöglichkeiten durch Solarportale vor. Ein wesentlicher Bestandteil der Internetplattformen sind GIS-gestützte Auskunftsoberflächen, die Auskunft darüber geben, wie und ob Gebäudedächer für Solaranlagen geeignet sind. Die Bürger haben damit ein unabhängiges Instrument zur Verfügung, um sich zu informieren. Tilk wünscht sich, dass die Daten mit anderen energierelevanten Informationen wie dem Sanierungsgrad oder dem Wärmebedarf verknüpft werden und in ein Energiekonzept eingebunden werden. Dazu fehle den Kommunen häufig das Personal.

In getrennten workshops zeigte sich schnell, wo es bei der Umsetzung von Solarenergie Probleme gibt. Notwendig sind positive Vorbilder, anders gesagt: Leithammel. Wer mit guten Ideen vorangeht, kann auch andere animieren selbst aktiv zu werden. Diese Vorbildfunktion lässt sich auch auf die Kommunalpolitik übertragen: Kommunen und Stadtwerke müssen konsequent weniger Ressourcen verbrauchen und auf erneuerbare Energien setzen, dann tun dies auch die Bürger mit Überzeugung. Ein anderes Problem sind die finanziellen Aspekte bei erneuerbaren Energien. Investitionen in Solaranlagen sind langfristig angelegte Werte nicht selten über 20 Jahre. Zum anderen bezweifeln viele Bürger  die Wirtschaftlichkeitsprognosen oder die Professionalität von Gemeinschaftsanlagenbetreibern. Stadtwerke haben dagegen eine große Erfahrung,  um Gemeinschaftsanlagen kosteneffizient zu verwalten.

Hinzu kommt: Die Photovoltaiknutzung hat ein Imageproblem. So lautet ein Vorbehalt, “nur wer Geld hat, kann sich das leisten aber alle anderen Verbraucher finanzieren über den Strompreis die Einspeisevergütung“. Tatsächlich sind Photovoltaikanlagen wegen der Einspeisevergütung relativ sichere Geldanlagen, die in der Regel komplett über Kredite finanziert werden können. Jeder kann eine PV-Anlage installieren lassen oder sich an einer Gemeinschaftsanlage beteiligen. Allerdings sinkt die Vergütung schrittweise. Das Ziel ist, die Technik zu etablieren und sie nicht auf Dauer zu subventionieren.

Nürtingen, 12.07.2011

Alexander Koch