Semester retten in Invercargill

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Steffen Grimske auf dem Campus der Škoda Auto University in Mladá Boleslavist.

Jutta Schnell

- International Office der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) betreut Studieren-de im Ausland; Lage vor Ort sehr unterschiedlich -

NÜRTINGEN. (hfwu) Viele sind freiwillig wieder zurück, aus Korea wurden manche gegen ihren Willen ausgeflogen, ob es in Südafrika bald mit der Rückreise klappt, ist trotz Rückholaktion des Auswärtigen Amtes weiterhin unklar. Die Erfahrungen der Studierenden der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), die sich im Auslandssemester befinden, sind sehr unterschiedlich. Das International Office der Hochschule, das sie betreut, hat alle Hände voll zu tun.

 

Weit über hundert Studierende der HfWU befanden sich zu Beginn der Corona-Krise an einer Hochschule im Ausland. Inzwischen sind rund zwei Drittel nach Hause zurückgekehrt. Ob in Südkorea, Tschechien oder Neuseeland, vor Ort ist die Situation für die „Outgoer“ sehr unterschiedlich.

„In einem ersten Schritt versuchten wir, bei jedem zu erfahren, wie die Lage am Studienort ist und wo wir konkret unterstützen können“, berichtet Jutta Schnell, Leiterin des International Office an der HfWU. Auch hier stellt die Ausnahmesituation manches auf den Kopf. Oft sind es Studierende, die sich ohne das gewohnte Umfeld neuen Herausforderungen stellen möchten und auch deshalb ins Ausland gegangen sind. Die aktuelle Situation aber erfordere nun, gerade diese sehr eng zu begleiten, so Schnell.

„Bis jetzt geht es mir noch ganz gut mit der Situation“, berichtet Steffen Grimske aus Tschechien. „Natürlich habe ich mir mein Auslandssemester anders vorgestellt und mich darauf gefreut, das Land zu erkunden und Studenten aus anderen Ländern kennenzulernen. Dies ist in der jetzigen Situation leider nicht möglich.“ Die Ausgangsbeschränkungen seien ähnlich geregelt wie in Deutschland, die meisten Geschäfte geschlossen, allerdings gebe es eine Mundschutzpflicht, deren Nichtbeachtung mit mehreren hundert Euro bestraft wird. Grimske ist im Rahmen seines Automobilwirtschaftstudiums in Geislingen jetzt an der Škoda Auto University in Mladá Boleslavist nördlich von Prag. „Der Vorlesungsbetrieb läuft nun komplett online. Das Hochschulgebäude darf nicht betreten werden“, so Grimske. Unklar sei, wie die Prüfungen abgelegt werden, eventuell werden sie komplett durch Hausarbeiten ersetzt. Froh ist Grimske, bei der eingeschränkten Bewegungsfreiheit mit einem Studienfreund von der HfWU zusammenzuwohnen, „so ist man nicht ganz so alleine.“

Für viele Studierende, ob wieder daheim oder noch vor Ort, sei die dinglichste Frage „Wie kann ich mein Semester retten?“, bestätigt Jutta Schnell. Was, wenn nur ein Teil der notwendigen Kurse an der Auslands-Hochschule online angeboten wird? Können gleichzeitig Online-Kurse an der HfWU belegt werden, quasi in einem Hybrid-Studium? „Das sind ganz neue Fragen“, so Schnell. Die Leiterin des International Office versichert aber, „dass alle Leistungen, die in diesem Semester online im Ausland oder an der HfWU mit entsprechender Notenbescheinigung erbracht werden, im bewährten Zusammenspiel zwischen Fakultäten, Prüfungsämtern und International Office anerkannt werden.“

„Die im Vergleich zu Deutschland relativ geringen Zahlen von Infizierten sowie die Handhabung in Bezug auf den Virus und dessen Verbreitung sorgen dafür, dass ich mich hier derzeit sicherer fühle als in Deutschland“, schreibt Necip Baur aus Neuseeland. Er studiert an der HfWU International Finance und absolviert derzeit ein Auslandsjahr am Southern Institute of Technology (SIT) in Invercargill. Das SIT habe schon früh in der Krise begonnen, viele Vorlesungen online durchzuführen. „Ich werde das bereits begonnene Sommersemester hier beenden“, hat Baur beschlossen. In Neuseeland ist die höchste Alarmstufe ausgerufen worden. Sie soll auch in den nächsten Wochen noch bestehen bleiben. Auch wenn er das Haus nur zum Joggen, für Spaziergänge oder für Einkäufe verlässt, „mir geht es den Umständen entsprechend gut“, so Baur.

Mit denjenigen, die nach Hause wollen, aber immer noch festsitzen, steht das International Office im engen Kontakt. „Die meisten sind mit anderen HfWU-Studierenden in Grüppchen zusammen und schlagen sich wacker“, berichtet Schnell. In Südafrika etwa gestalte sich die Rückreise schwierig, da im ganzen Land nur über die Flughäfen Kapstadt und Johannesburg ausgeflogen werde. Damit bestehe die erste Herausforderung darin, gegebenenfalls aus einem ganz anderen Landesteil überhaupt zum Flughafen zu kommen.

Das International Office rät den Studierenden dringend aus dem Ausland nach Hause zu kommen. Trotz aller Notwendigkeit eine Empfehlung schweren Herzens. Normalerweise motiviert die Einrichtung zum umgekehrten Schritt. „So etwas mussten wir noch nie machen“, sagt Schnell. Generell bleibe die Frage, „Bleiben oder zurückkommen?“ aber eine individuelle Entscheidung, die akzeptiert werde. Angeordnete Rückholungen gebe es nicht.

Jedenfalls nicht von Hochschulseite. Zwei Studenten, die ihr Auslandsstudium in Südkorea schon im August letzten Jahres begonnen hatten, wollten eigentlich für ein weiteres Semester bleiben. Jetzt muss einer von ihnen das Sommersemester an der HfWU absolvieren. Nach einer Tour mit einem Schiff, auf dem mehrere Infizierte waren, fackelten die koreanischen Behörden nicht lange. Die ausländischen Passagiere wurden zwangsausgeflogen. Binnen Stunden fanden sich die beiden Studenten in Deutschland wieder. Und nur einer schaffte es, vor Inkrafttreten weiterer Beschränkungen rechtzeitig wieder nach Korea einzureisen.