Schreckgespenste und Zauberfirmen

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Dirk Müller beim „Tag der Finanzen“.

- Finanzexperte Dirk Müller analysierte Weltpolitik beim „Tag der Finanzen“ in Nürtingen -

NÜRTINGEN. (hfwu) Mit Erklärungen zur weltpolitischen Großwetterlage beeindruckte Börsenmakler, Politikberater und Buchautor Dirk Müller beim „Tag der Finanzen“. Zu der Tagung und Podiumsdiskussion in Nürtingen unter dem Titel „Erfolgreich Geld anlegen in schwierigen Zeiten“ hatte die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) eingeladen.

Er gilt als einer der profiliertesten Börsenkenner des Landes, ist ein gefragter Vortragsredner und Talkshow-Gast. Dennoch appellierte Müller gleich zu Beginn an die Besucher in der vollbesetzten Nürtinger Stadthalle: „Denken Sie selbst nach, glauben Sie niemandem. Keinem Professor, keinem Politiker, keinem Experten und auch nicht mir“. Die kritische Distanz zu seinen pointierten Ausführungen und Bewertungen der politischen Großwetterlage mag manchem Zuhörer nicht allzu schwergefallen sein. „Wir leben in einer Scheindemokratie, einer Herrschaft des Geldes. Die Menschen glauben nur, sie hätten etwas mitzuentscheiden“, so eine der Thesen des Finanzexperten.

Der Parforceritt durch die Weltpolitik führte den Bestsellerautor von den USA, über Nordkorea und China bis nach Russland und in den Nahen Osten. „Wir sind nach wie vor ein Vasallenstaat der USA“, so Müller. Die Unterstützung nach dem zweiten Weltkrieg sei notwendig und gut gewesen, aber diese damals entstandene Abhängigkeit von Amerika bestünde heute weiter. „Aber lieber unter einem amerikanischen Hegemon leben als unter einem russischen, chinesischen oder arabischen“, so die Überzeugung des 49-Jährigen.

Dass der Nordkorea-Konflikt derzeit in den Medien keine prominente Rolle einnimmt hat für Müller eine einfache Erklärung. Der Diktator des Landes fungiere für die USA als Schreckgespenst. Mit ihm lasse sich eine Bedrohungskulisse aufbauen, um geostrategische Interessen durchzusetzen. Genau dies sei im Sommer geschehen. Nach dem die USA vor dem Hintergrund dieser Inszenierung ihr Ziel, die atomare Aufrüstung in Südkorea, realisiert hatten, verschwand Nordkorea gleichsam wieder vom Schirm der Amerikaner wie aus den Medien.

Müllers mehrfache Zwischenbemerkung „Das haben Sie wahrscheinlich so noch nicht gehört“, galt auch für seine Ausführungen zu China. Er sieht das Land mitten in weitgreifenden internationalen Aktivitäten. Diese dienten insbesondere mit dem Ausbau einer neuen Seidenstraße dem Ziel, den weltpolitischen Einfluss des asiatischen Landes voranzutreiben. „In China gibt es eine Unmenge an rein kreditfinanzierten Zauberfirmen und dutzende leerstehende, neu gebaute Geisterstädte“, erklärte Müller. Diese, einer Überhitzung der Wirtschaft geschuldeten Entwicklung, sei aber nun gestoppt. Der enorme Kapitalzufluss nach China gehe zurück. Vor diesem Hintergrund könne eine „mäßige Entwarnung“ geben werden vor einem weiteren Wachsen der „chinesischen Blase“. Sollten allerdings die Zinsen deutlich anziehen und in Folge dessen massiv Kapital aus China abgezogen werden, könne dies nach wie vor die ganze Weltwirtschaft in eine schwere Krise stürzen.

Wie Chinas Expansionsdrang zeige, gehe es weltpolitisch künftig um die Vorherrschaft auf dem eurasischen Kontinent mit seinen großen Rohstoffvorkommen. Weniger ökonomische als vielmehr womöglich militärisch ausgetragene Konflikte sieht Müller im Nahen Osten. Der Iran habe die schiitische Dominanz in der Region ausbauen können. Dies mache eine direkte Konfrontation mit dem sunnitschen Erzfeind Saudi-Arabien wahrscheinlicher.

Nach der weltpolitischen Analyse wendete Müller den Blick auf die heimische Wirtschaft. Hier sieht er in der voranschreitenden Digitalisierung nicht nur die Gefahr, Arbeitsplätze zu verlieren. Wegen der hohen Kosten seien viele Arbeitsplätze in Billiglohnländer ausgelagert worden. Moderne Robotik und Automatisierung ersetze nun mehr und mehr einfache Tätigkeiten. Damit sei es jetzt oftmals ökonomisch sinnvoll, die Produktionsstätten wieder zurückzuholen und mit hochqualifizierten Mitarbeitern die Wertschöpfung im eigenen Land zu erbringen.

Nach dem Vortrag von Müller stand eine Podiumsdiskussion auf der vom HfWU-Masterstudiengang Internationale Finance unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Dietmar Ernst organisierten Tagung auf dem Programm. Hier stand neben den aktuellen politischen Entwicklungen das Tagungsthema „Erfolgreich Geld anlegen in schwierigen Zeiten“ im Mittelpunkt. Neben Dirk Müller nehmen daran der Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse, Oliver Hans, HfWU-Professor Dr. Frank Andreas Schittenhelm, HfWU-Ehrensenator Michael Bloss und der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Göppingen, Dr. Hariolf Teufel, teil.

Der Anlagetipp des Börsenexperten Müller lautet „Qualitätsaktien“. Er empfiehlt trotz des Allzeithochs an der Börse in Firmen mit soliden Geschäftsmodellen und stabilen Gewinnen zu investieren. „Wir sind derzeit weit entfernt von einer Blasenbildung wie 2008“, ist sich „Mister DAX“ sicher. Nach seinen streitbaren weltpolitischen Ausführungen schien die von Müller selbst angeratene kritische Distanz gefragt. Ob die von ihm angeführten geheimen Machenschaften nun tatsächlich so existieren oder Müllers besonderer Wahrnehmung geschuldet sind, dies musste am Ende jeder Zuhörer für sich selbst entscheiden.

Udo Renner, 23.11.2017