Neue Aufgaben für die Städtebauförderung

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Foto (hfwu/E. Fetzer): Das Podium auf der linken Seite: Jürgen Katz, Geschäftsführer der LBBW Immobilien KE, Günter Riemer, Bürgermeister Kirchheim unter Teck, Peter Schäfer, Leiter des Referats ‚Städtebauliche Erneuerung’ und als Moderator Prof. Dr. Ruther-Mehlis.

- Gemeinsamer Tag der Planung der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und der Hochschule für Technik Stuttgart -

NÜRTINGEN. (hfwu) Am 6. Tag der Planung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU), diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Planung, Verwaltung und Wissenschaft über die Zukunft der Städtebauförderung im Land. Ungefähr 100 Besucher füllten den Saal im Altbau der Hochschule in Nürtingen, darunter Gemeindevertreter, Planer und Studierende.

Dr. Christina Simon-Philipp, Professorin an der Hochschule für Technik in Stuttgart, benannte die Fakten aus der mittlerweile vierzigjährigen Geschichte der Städtebauförderung. Sie hat das Hauptziel städtebauliche und funktionale Missstände zu beseitigen. Nach dem Krieg dehnten sich die Städte stark aus. Erst die siebziger Jahre brachten eine erste Rückbesinnung auf die Innenstädte. ‚Rettet unsere Städte jetzt!’ war das Motto der Stunde, um dem drohenden Verfall der Altstädte entgegenzuwirken. Als Pilotprojekt dieser Zeit gilt das Bohnenviertel im Stuttgart, dem ein Totalabriss drohte. Mit den Jahren entwickelte sich das Programm zum Erfolgsmodell. Insgesamt wurden in Baden-Württemberg 2.726 Maßnahmen in 824 Gemeinden mit einem Gesamtvolumen von sechs Milliarden Euro aus Bundes- und Landesmitteln gefördert. Heute ist die Städtebauförderung im Wirtschaftsministerium angesiedelt und gilt primär als Investitionsinstrument. Nicht ohne Grund: Jeder Euro aus der Städtebauförderung hat Folgeinvestitionen von acht Euro angestoßen. Die Konzentration auf die Innenentwicklung bewahrt die Landschaft vor weiterer Zersiedlung, die Quartiersentwicklung wirkt sich positiv auf soziale Missstände in den Städten aus.


Peter Schäfer begleitet das Programm seit vielen Jahren und unter verschiedenen Regierungen als Leiter des Referates für Städtebauliche Erneuerung. Er erinnerte daran, dass im letzten Jahr der Bund die Städtebauförderung radikal kürzen wollte. Nur der lautstarke Protest der Länder konnte dies verhindern. Das zuständige Bundesministerium lege mehr Wert auf die Verkehrsentwicklung. Angesichts der anstehenden Mammutaufgaben der Kommunen allein in den Bereichen Klimaschutz und energetische Erneuerung, sei diese Tendenz schwer nachzuvollziehen. „Baden-Württemberg wird die Städtebauförderung weiterhin dynamisch vorantreiben“, so Schäfer. Als Programmschwerpunkte für die nächste Förderperiode nannte der die Themen Konversion, Klimaschutz, energetische Sanierung, sowie die Verzahnung von Wohnungs- und Städtebau. Auch die Bürgerbeteiligung wird nun stärker berücksichtigt. Zudem ist eine effizientere Einbindung privaten Kapitals durch sogenannte Verfügungsfonds angedacht. Peter Schäfer rief die Gemeindevertreter dazu auf, sich mit dem Instrument auseinanderzusetzen und neue Anträge einzureichen.

Die anschließende Podiumsdiskussion moderierte Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis, zurzeit Dekan der Fakultät Landschaftsarchitektur, Umwelt- und Stadtplanung an der HfWU. Von Seiten der Kommunen dankten Bürgermeister Günter Riemer (Kirchheim/Teck) und Dr. Anke Karmann-Woessner (Böblingen) für die vielen positiven Effekte, die sie bislang mit Hilfe der Städtebauförderung in ihren Gemeinden erzielen konnten. Für die Zukunft brauche es aber finanzielle Planungssicherheit.

Der Landschaftsarchitekt Professor Sigurd Henne und sein Kollege, der Landschaftsplaner Dr. Christian Küpfer, wiesen darauf hin, dass das Potential der Freiräume in den Innenstädten nicht vergessen werden sollte. Küpfer betonte, dass auch Eingriffe im Innenbereich für ökologische und freiraumplanerische Ausgleichsmaßnahmen im direkten Umfeld genutzt werden sollten, z.B. in Form eines ‚Ökokontos für die Stadt’. Professor Detlef Kurth von der Stuttgarter Hochschule für Technik forderte, dass der Städtebauförderung noch mehr Steuerungsfunktion zukommen sollte. Er bemängelte die bislang fehlende Evaluierung des Programms und die schwache Öffentlichkeitsarbeit. Die Vertreter der Sanierungsträger, die Geschäftsführer Michael Blum von der Stuttgarter Stadtentwicklung und Jürgen Katz von LBBW Immobilen stimmten darüber ein, dass integrierende Stadtentwicklungskonzepte eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Stadtentwicklungsförderung sind. Solche interdisziplinären Konzepte wägen Entwicklungstendenzen aus Städtebau, Wirtschaft und Demographie ab und berücksichtigen zudem ökologische, kulturelle und soziale Aspekte unter Einbezug der Bürgerschaft. Die wichtige Rolle der Baubürgermeister wurde in diesem Zusammenhang mehrmals betont,
Der Tag der Planung dient als Forum für alle Fragen der räumlichen Planung mit Vertretern aus Hochschule und Praxis, aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Büros, Stadtverwaltungen und Firmen präsentieren sich, ebenso Studierende und Absolventen. Die Veranstaltung wird abwechselnd von der HfWU Nürtingen-Geislingen und der HfT Stuttgart organisiert.

Die Ausstellung‚ 40 Jahre Städtebauförderung in Baden-Württemberg – Bilanz und Ausblick’ ist noch bis zum 10. Februar im Neubau der HfWU zu sehen (2. Stock, K IV, Schelmenwasen 4-8, 72622 Nürtingen).

Ellen Fetzer, 31.01.2012