Mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft

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Prof. Dr. Erskin Blunck

Dr. Carlos José Omar Trejo Pech

 - Ökonomen aus 30 Ländern treffen sich an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt -

Die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) ist der Gastgeber der 15. International Business & Economy Conference (IBEC). Über 100 Ökonomen, Betriebswirte und Volkswirtschaftler, treffen sich vom 6.-9. Januar in Nürtingen. Die Gäste kommen von Universitäten aus 30 Ländern, um in unterschiedlichen Plenarveranstaltungen das Thema Nachhaltigkeit in der Betriebs- und Volkswirtschaft aus allen Facetten zu beleuchten.

Der Anspruch der Konferenz ist zunächst, dass Volks- und Betriebswirte trotz aller Unterschiede im Gespräch bleiben. Doch es geht um mehr: Viele Länder der Erde kämpfen mit Naturkatastrophen, finanziellen Unsicherheiten, politischer Instabilität oder sozialem Unfrieden. Für Ökonomen ist es an der Zeit, zu prüfen und einzuschätzen, welchen Zusammenhang es dabei mit der wirtschaftlichen Globalisierung gibt. Wer sind die Gewinner und wer die Verlierer vor diesem unsicheren Szenario? Welche Rolle spielen Technologie und Innovationen? Und welchen Einfluss hat eine globalisierte Zivilgesellschaft auf das verantwortungsvolle Wirtschaften von Unternehmen?

Als Gastgeber der IBEC-Konferenz arbeitet die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt mit den folgenden internationalen Partnern zusammen:  Hagan School of Business at Iona College (USA), School of Business and Economics Universidad Panamericana at Guadalajara (Mexiko), College of Business and US-Korea Business Institute at San Francisco State University (USA), CIBER (Center for International Business Education and Research) at University of Connecticut (USA), The College of Business at Tennessee State University (USA). Die Veranstaltung wird von der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen unterstützt.

Inhalt und Ziele der Konferenz beschreiben im Interview Professor Dr. Erskin Blunck und Dr. Carlos Trejo Pech. Dr. Blunck lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) als Professor in der Fakultät Agrarwirtschaft, Volkswirtschaft und Management. Er leitet als Studiendekan den Masterstudiengang International Management und ist der Organisator der IBEC-Konferenz an der HfWU.

Dr. Carlos José Omar Trejo Pech ist Professor für Finanzwirtschaft an der mexikanischen Universidad Panamericana in Guadalajara. Er ist Volkswirt und geschäftsführender Direktor der IBEC-Konferenz. Die Fragen stellte Gerhard Schmücker.

Was genau ist die IBEC Konferenz?

Blunck: Eine internationale Plattform für Ökonomen. Das heißt, wir führen Betriebswirte und Volkswirte zusammen, die ansonsten in ihrer Betrachtung wirtschaftlicher Zusammenhänge auf unterschiedlichen Ebenen unterwegs sind. Die Wurzeln der Konferenz liegen in San Francisco, wo vor 15 Jahren die erste Konferenz stattfand. Dort wurde schnell klar, dass sich Volks- und Betriebswirte bei allen Unterschieden in einem einig sind: Darin wie schnell und umfänglich die Wirtschaftswissenschaften von internationalen Herausforderungen betroffen sind.

Was war die Konsequenz?

Blunck: Die IBEC ist von einer nationalen zu einer weltweiten Konferenz geworden. Die Konferenz fand inzwischen unter anderem im indischen Mumbai, im mexikanischen Guadalajara, in Tianjin in China, in Bangkok und Prag statt. Die HfWU ist 2014 in Tianjin zu dem Forum dazu gestoßen.

War es schwierig Nürtingen als Konferenzort durchzusetzen?

Blunck: Es war klar, dass die nächste Konferenz in Europa möglichst in Deutschland stattfinden sollte. Wir brachten die HfWU ins Spiel, mit dem Hinweis, dies sei in der Nähe von München. Das hat geholfen. Erst in einem zweiten Schritt kam dann der Hinweis auf die „Metropolregion Stuttgart“ mit den üblichen Namen Bosch, Daimler, Porsche. Dann war klar, dass es sich dabei um ein wirtschaftliches Kraftzentrum handelt und die Sache war entschieden.

Zurück zum Anspruch der Konferenz: Reden BWLer und VWLer zu wenig miteinander?

Blunck: Wir haben insgesamt den gesellschaftlichen Trend, dass sich Fachrichtungen immer mehr spezialisieren und integratives Denken zu kurz kommt. Schon innerhalb der BWL wird zu wenig miteinander geredet. Damit meine ich nicht unsere Hochschule, sondern die Situation innerhalb dieser Disziplin. Da ist es mit den Volkswirten sogar einfacher. Volkswirte betrachten die großen ökonomischen Zusammenhänge, wir Betriebswirte die Auswirkungen in der Realität der Unternehmen. Allerdings laufen wir Gefahr, dass wir uns als Betriebswirte untereinander in der Spezialisierung unserer Disziplin zu verlieren. Jeder Bereich pflegt eine Fachsprache, so dass schon Marketing und Vertriebsexperten ein Kommunikationsproblem haben.

Und die IBEC kann hier helfen?

Blunck: Ja, weil es in erster Linie um die große Herausforderung Internationalisierung und Globalisierung geht. Es entstehen enorme Abhängigkeiten in der Wirtschaft, im Handel, auf den Märkten. Das betrifft uns als Ökonomen, als Wissenschaftler und als Professoren. Dies betrifft aber auch unsere Studierenden. Wie wir diese fit machen, damit Sie sich in diesem internationalen unternehmerischen Umfeld bewegen und kommunizieren können, dabei hilft die IBEC Konferenz ungemein.

Sprechen die Teilnehmer aus Industrie- und Schwellenländern inhaltlich dieselbe Sprache?

Trejo-Pech: Unter “derselben Sprache” verstehe ich, dass wir alle, als Teilnehmer an der IBEC Konferenz, die Sprache der Wirtschaftsforschung sprechen. Forscher, die Ihre Ergebnisse präsentieren, verwenden unterschiedliche Forschungsansätze, die für bestimmte Problemfelder relevant sind. Die Teilnehmer aus anderen Forschungsbereichen können dann darüber diskutieren, in wie weit diese Ergebnisse Auswirkungen auf ihre Forschungsarbeit haben. So entsteht eine Atmosphäre, von der die Vortragenden und die Zuhörer gleichermaßen profitieren. Die Herkunft, ob Industrie- oder Schwellenland, spielt dabei keine Rolle.  

Wie kam es, dass die HfWU in der IBEC eine wichtige Rolle spielt?

Blunck: Das war zunächst unspektakulär. Die mexikanische Universität Guadalajara war auf der Suche nach einem Partner in Deutschland. Über die üblichen Gespräche bezüglich Studierendenaustauch, gemeinsamen Projekten und Veranstaltungen kam dann der Vorschlag an uns, sich auch an der IBEC zu beteiligen.

Warum haben sie die HfWU als deutschen Partner gewählt?

Trejo-Pech: Während der letztjährigen IBEC Konferenz in Bangkok präsentierte das Team der HfWU um Erskin Blunck, Lorenz Braun, und Thomas Ginter einen tragfähigen Vorschlag, wie die Konferenz in diesem Jahr an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen stattfinden könnte. Die HfWU-Partner verstehen die Konferenz-Abläufe und den Geist der IBEC sehr genau. Einige HfWU-Professoren hatten zuvor bereits an der IBEC-Konferenz im chinesischen Tianjin teilgenommen. Die IBEC-Mitglieder sind sehr froh darüber, in welcher Weise sich die HfWU als Gastgeber zu der Konferenz in diesem Jahr bekennt.

Was kann aus Ihrer Sicht die HfWU zur IBEC beitragen

Trejo-Pech: Zunächst bietet die HfWU als Gastgeber alles, was die teilnehmenden Forscher an Infrastruktur für eine erfolgreiche Konferenz in einer angenehmen Umgebung brauchen.  Vor allem profitiert die IBEC in diesem Jahr jedoch von dem Forschungsnetzwerk der HfWU Fakultät. Wir treffen hier einige HfWU-Absolventen, die bis heute ihre Forschungsbeziehungen zu den HfWU-Professoren pflegen. Einige HfWU-Professoren präsentieren Forschungsarbeiten, die sie mit ihren Kollegen aus anderen internationalen Universitäten durchführen. Dies kombiniert mit dem IBEC-Netzwerk, sorgt für ein großes internationales Umfeld während der diesjährigen Konferenz. Im Programm tauchen Redner von Hochschulen aus 30 Ländern auf.

Wie sieht der inhaltliche Beitrag der HfWU aus?

Blunck: Wir liefern die inhaltliche Klammer. Seit zehn Jahren sind wir die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt. Seither entwickeln wir unser Profil in Richtung Nachhaltigkeit, gerade auch in den Wirtschaftswissenschaften. Und diese „Nachhaltige BWL“ wollen wir in die Konferenz einbringen. Was wir allerdings nicht wollen: Mit dem typisch deutschen erhobenen Zeigefinger dieses Thema bei unseren internationalen Gästen durchsetzen. Wir wollen inspirieren und die Diskussion anregen.

Brauchen wir eine nachhaltige Betriebswirtschaft?

Blunck: Ja, unsere Ressourcen sind begrenzt. Nicht nur ökologisch sondern auch wirtschaftlich und human. Daran müssen wir Produktionsprozesse ausrichten die Wiederverwertung im Blick haben und effizient in Kreisläufen wirtschaften. Es geht künftig um ein vorsichtiges Wachstum und für unsere Unternehmen vor dem schnellen Gewinn um eine nachhaltige Existenz. Wir müssen unsere Mitarbeiter entwickeln und Fluktuationen vorbeugen, mit Weiterbildung, Beteiligung und Gesundheitsmanagement. Unser deutscher familiengeführter Mittelstand macht es vor, wie Unternehmen langfristig geführt und kommenden Generationen weitergegeben werden.

Trejo-Pech: Die Betriebswirtschaft hat die Nachhaltigkeit zumindest entdeckt. Das diesjährige Konferenzthema „Nachhaltigkeit in Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft“ zeigt dies deutlich. Das Thema hatten die HfWU-Vertreter von Beginn an forciert, als der Vorschlag kam, die Konferenz in Nürtingen abzuhalten. Eine großartige Idee. Nicht jede einzelne Arbeit, die während der Konferenz präsentiert werden wird, wird sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Aber mehr als zwanzig Präsentationen werden sich damit befassen. Wer will, kann sich während der Konferenz ausschließlich mit Aspekten der Nachhaltigkeit auf den Ebenen der Betriebs- und Volkswirtschaft befassen. Hat die

HfWU die nachhaltige Betriebswirtschaft erfunden?

Blunck: Wir haben den Begriff zwar nicht erfunden, aber die Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Betriebswirtschaft, das ist etwas womit sich die HfWU an die Spitze der Entwicklung gesetzt hat. Unter demselben Titel ist an der HfWU eine Publikation entstanden, an der 14 Professoren aus drei Fakultäten und beiden Standorten mitgearbeitet haben. Unter A wie Absatz und Z wie Zukunftsstrategien werden dort alle BWL-Funktionen unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten analysiert. Die Hälfte der Autoren ist nun mit Beiträgen bei der IBEC dabei.

Geben die Ergebnisse des Pariser Umweltgipfels dem Thema Rückenwind?

Blunck: Sicherlich, die Betriebswirtschaft steht für die Mikroebene, das heißt, es ist unsere Aufgabe, dass die Beschlüsse von Paris auf die Ebene der Unternehmen heruntergebrochen werden und dort konkrete Entscheidungen fallen. Zum Beispiel für betriebliche Umweltstrategien.

Ist die nachhaltige Betriebswirtschaft auch in den Köpfen der internationalen Gäste verankert?

Blunck: Teilweise ja. So ist die Portland State University, einer unserer amerikanischen Partner, bereits vor Jahren massiv in dieses Thema eingestiegen. Andere Teilnehmer sind da noch etwas vorsichtiger. Wir haben Teilnehmer aus Thailand, Pakistan, Indonesien, Brasilien und Uganda, die zu uns nach Nürtingen kommen. Dort gibt es andere Vorstellungen über die Wirtschaft von morgen. Wir streben nach „weniger“, die anderen wollen aufstreben und zu Wohlstand kommen. Auch hier spiegeln sich die Konstellationen der Pariser Konferenz.

Gibt es in der Definition von nachhaltiger Betriebswirtschaft einen Unterschied zwischen Industrie- und Schwellenländern?

Trejo-Pech: Das ist eine schwierige Frage. Aber ich persönlich gehe nicht von grundlegenden Unterschieden aus, wenn es um die Interpretation einer nachhaltigen Wirtschaft geht. Aber vielleicht hilft uns die Konferenz tatsächlich dabei, ein besseres Verständnis für mögliche unterschiedliche Sichtweisen zu entwickeln. Deshalb sind wir hier.