Lektionen in Sachen Nachhaltigkeit

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Foto (HfWU/üke): Ein Ministerpräsident auf der Hörsaalbank: Winfried Kretschmann unter den Studierenden der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt.

- Ministerpräsident Kretschmann hält Gastvorlesung an der HfWU -

NÜRTINGEN. (üke). Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Hochschulrektor Professor Dr. Werner Ziegler haben einiges gemeinsam: Beide haben sich der nachhaltigen Entwicklung verschrieben – im Großen wie im Kleinen, für das Land und für die Hochschule. Zum ersten Mal besuchte Kretschmann „seine“ Hochschule im Wahlkreis des Ministerpräsidenten.

 
Natürlich nutzte die Hochschulleitung der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen den Besuch zu intensiven Gesprächen. Gekommen war der Ministerpräsident allerdings vor allem wegen der Studierenden: Er hielt eine Gastvorlesung vor Studierenden der betriebswirtschaftlichen Studiengänge über die „Prinzipien der Nachhaltigkeit und die Aspekte nachhaltigen Managements“. Für die Ausgangslage in Baden-Württemberg zitierte Kretschmann HfWU Rektor Ziegler, „wir sind stark in der Wirtschaft und stark in der Umwelt, aber am „und“ müssen wir noch arbeiten“. Die Kernbotschaft des ersten grünen Ministerpräsidenten tauchte immer wieder in seinem Vortrag auf: Nachhaltiges Wirtschaften und ökonomischer Erfolg schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Kretschmann sieht kaum ein anderes Bundesland besser für den Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung gerüstet als den Südwesten Deutschlands. Für ihn selbst ist dieser Weg entscheidend für die Zukunft und den Wohlstand künftiger Generationen: In ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht. 


Allerdings, und daraus machte Kretschmann keinen Hehl, gilt es für ihn und seine Regierung dabei täglich Widerstände zu überwinden und Überzeugungsarbeit zu leisten. Leider auch im eigenen Haus: „Was wir uns politisch leisten, Ressortdenken und endlose Diskussionen zwischen den Ministerien ist völlig überholt, das ist nicht nachhaltig“. Gleiches gilt für die Haushaltspolitik, die Ausgaben beschließe, für die das Geld noch nicht da sei. Nachhaltige und gestaltende Politik verlange sich an den Realitäten zu orientieren. 


So kämpft Kretschmann an vielen Fronten. Gegen Strukturen aber auch gegen ein Denken, das die Realität verkennt. Als jüngstes Beispiel dient ihm dabei die Verkehrspolitik. Viele im Land rufen nach neuen Straßen. Die Realität sieht jedoch so aus, dass dafür schlicht das Geld fehlt und man sich von der Ideologie befreien müsse, ständig den Staus hinterherzubauen. Für den Ministerpräsident liegt der Ausweg in intelligenten Lösungen wozu auch satellitengestützte Mautsysteme gehören könnten. Generell fordert Kretschmann ein neues Denken „weg von der Hardware zur Software“. Allein sieht er sich mit diesen Visionen nicht. Tatsächlich erkennt er gerade bei den innovativen Schlüsselbranchen des Landes die Einsicht, dass nachhaltiges Wirtschaften und die dazu passenden Produkte der Schlüssel für den Erfolg auf den Märkten der Zukunft sind. „Unsere Unternehmen liegen hier weit vorne“, betont Kretschmann auf die Frage eines Studenten. 


Zu Nachhaltigkeit gehört jedoch mehr als nur die ökonomische Seite. Kretschmann entwarf ein Modell, in dem die Gewichte zwischen Staat, Markt und Bürgergesellschaft anders verteilt werden müssen. Der Konflikt um Stuttgart 21 habe vieles verändert. „Ich selbst habe die Volksabstimmung krachend verloren“, so Kretschmann, aber für die Bürgergesellschaft sei der Tag der Volksabstimmung ein großer Gewinn. Die Einsicht sei nun da, dass nicht mehr wie früher geplant werden könne. Für Wirtschaft und Politik gelte nun, dass die Zivilgesellschaft auf Augenhöhe beteiligt werden müsse. Das kostet auch Geld, aber diese „Bürgerschaftskosten“ müssten in Planungsprozesse eingepreist werden. Am Ende ist dies eher billiger als endlose Konflikte. Auch die anstehende Energiewende wird nur erfolgreich sein, wenn diese Beteiligung stattfindet. Die Hoffnung Kretschmanns liegt vor allem auf den Hochschulen: „Nachhaltige Entwicklung geht ausschließlich wissenschaftsbasiert.

Gerhard Schmücker, 19.01.2012