Lars-Manuel Schneider: Dr. Matthias Recke - Was Archäologen wirklich machen

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In der letzten Vorlesung der Kinder-Hochschule Nürtingen im Sommersemester 2008 begeisterte Gastprofessor Dr. Matthias Recke von der Universität Gießen seine jungen Hörer für die „Beschäftigung mit Resten“.

Dass der Beruf des Archäologen eine äußerst spannende Angelegenheit ist, erfuhren die jungen Studierenden auf sehr anschauliche Weise. Die letzte Vorlesung der Kinderhochschule im Sommersemester war ausverkauft. Als Kinderredakteur berichtet diesmal der elfjährige Lars-Manuel Schneider, der die 5. Klasse des Nürtinger Hölderlin-Gymnasiums besucht. 

Bereits mit dem Einstieg in seine Vorlesung sorgte Professor Recke für große Heiterkeit unter den jungen Studenten. Er behauptete nämlich, das Thema seiner Vorlesung sei: „Weshalb Hausaufgaben Spaß machen.“ Eifriger Protest erhob sich, woraufhin sich der Professor verbesserte und das angeblich richtige Thema auf der Leinwand erschien: „Warum Süßigkeiten blöd sind“. Nach ausgiebigem Gelächter ging der Professor dann aber schnell zu seinem Thema über: „Na, schon Gold gefunden?“ 

Ein Filmausschnitt aus „Indiana Jones – Jäger des verlorenen Schatzes“ machte deutlich, wie der Beruf des Archäologen gern gesehen wird. Archäologen laufen durch die Gegend, finden ein Loch in der Erde, seilen sich in dieses ab, befinden sich sogleich in einem unterirdischen Gang, entdecken eine Inschrift, die sie in Windeseile entziffern und finden den Weg zu einem herrlichen Goldschatz. Doch schnell war den Studenten klar, die Realität läuft anders ab. Der Gastprofessor wollte in seiner Vorlesung zeigen, was Archäologen wirklich machen. 

Nicht jeder Archäologe hat das Glück, wie Heinrich Schliemann, der Troja ausgegraben hat, den Schatz des Priamos, der aus Schmuck und Gefäßen aus reinem Gold besteht, zu finden. Zur Veranschaulichung hatte Professor Recke die Nachbildung einer Goldmaske mitgebracht, die Schliemann bei seinen Ausgrabungen gefunden hatte. Solche Funde sind allerdings die Ausnahme. 

Dr. Recke stellte fest: Archäologie „ist in erster Linie die Beschäftigung mit Resten“. Die meisten der gefundenen Gegenstände sind nämlich mehr oder weniger stark beschädigt, da die Menschen in allen Epochen nur beschädigte Gegenstände wegwarfen, alles andere wurde weiterverwendet. 

Der zeitliche Rahmen, in dem sich die meisten Archäologen bewegen, ist die Zeit um Jesu Geburt im Jahre Null. In Europa wurde diese Zeit von den alten Römern dominiert. Der Gastprofessor fragte das junge Publikum, welche antiken Stätten denn ausgegraben worden seien. 

Gastprofessor Recke griff das in der heutigen Türkei liegende Perge heraus, um daran die Vorgehensweise bei einer Ausgrabung anhand von selbst fotografierten Bildern zu erklären. Zuerst erkennt das geübte Auge des Archäologen, dass z. B. ein Berg mitten in der Landschaft irgendwie „verdächtig“ aussieht. Daraufhin wird mit einem Traktor das für eine Ausgrabung benötigte Werkzeug auf den Berg gebracht und oben eine Hütte gebaut. Ein merkwürdiges Gestell mit vier Röhren wird von den Archäologen durch die Gegend getragen. Der Professor erklärt, dass dieses Gerät eine Art „Röntgenblick“ in die Erde hinein erlaubt. Man kann damit Grundrisse alter Bebauungen erkennen, die anzeigen: Hier lohnt es sich zu graben! 

Wichtig ist jetzt, dass man beim Graben nichts zerstört – das heißt, mit dem Bagger darf also nicht gebuddelt werden. Besser sind Spitzhacke und Kelle. Die Ausgrabungen in Perge legten Mauern frei, die nur sehr niedrig sind. Man stellt sich die Frage, warum damals nur so niedrig gebaut worden war. Der Professor erklärt seinen jungen Zuhörern nun, welcher Grund für ihn als Archäologe in Frage kommt: Kein Wirbelsturm, und auch nicht die Vermutung, dass die Mauer vielleicht nicht genügend gepflegt worden war, wie es aus dem Publikum gemutmaßt wurde, ist die Ursache, sondern es kann sein, dass nur noch das Steinfundament der Mauer vorhanden ist und die ursprünglich darüber liegende Mauer, zum Beispiel aus Lehmziegeln, sich bereits aufgelöst hat. 

Bei einer Mauer, die schon optisch aus verschiedenen Schichten besteht, kann man davon ausgehen, dass es sich um mehrere Fundamente aus verschiedenen Zeitepochen handelt. Dabei ist die oberste Schicht das jüngste Fundament, die unterste Schicht das älteste. Diese Erkenntnis verdanken wir Heinrich Schliemann, der auf diese Art die verschiedenen Schichten in Troja verschiedenen Zeitepochen zugeordnet hat. Auf diese Weise lassen sich Funde datieren. 

Der Gastprofessor beschrieb sehr anschaulich, wie an einem Fundort alles dokumentiert und jedes kleine Detail durch Fotos oder durch Vermessungen aufgenommen werden muss. 

Die Ausgrabungsstätte gleicht einem großen Ameisenhaufen, in dem viele Arbeiter gleichzeitig arbeiten. Zu guter Letzt muss dann noch ein Plan der Ausgrabung angefertigt werden. 

Anhand der Gegenstände und Gemälde, die bei einer Ausgrabung gefunden werden, kann sich der Archäologe ein Bild über das Leben der jeweiligen Zeit machen. 

So weiß man zum Beispiel, dass die alten Römer die Ersten waren, die Klos mit fließendem Wasser, das über Aquädukte floss, hatten. In den Thermen saßen sie in langen Kloreihen, und der Professor wollte von den jungen Studenten wissen, womit sich die alten Römer nach ihrer Verrichtung wohl den Hintern geputzt haben? Der beste Vorschlag aus den Zuhörerreihen war sicher: „mit einer Fackel!“ Tatsächlich haben sich die alten Römer mit einem Schwamm gesäubert, der danach ausgewaschen und dann vom nächsten benutzt wurde. 

Zum Schluss der sehr lebendigen Vorlesung erklärte der Professor noch eine Statue, die Kaiser Augustus als Feldherrn darstellt. Der Beruf der Archäologen ist sehr spannend, auch wenn diese nicht immer wie Indiana Jones tolle Schätze finden. Die Studenten sind jedenfalls voll auf ihre Kosten gekommen, nicht zuletzt auch deshalb, weil nach Ende der Vorlesung eine stattliche Anzahl mitgebrachter Funde und echter Schätze des Professors bestaunt werden durften.  

Dr. Recke persönlich: 

Schon als Kind begann sich Prof. Dr. Matthias Recke für „alte Steine“ und historische Stätten zu interessieren. Den Grund dafür sieht er in der Tatsache, dass seine Eltern beide Lehrer waren und in den Ferien oft mit ihm nach Griechenland gefahren sind. Die historischen Stätten, die Prof. Recke persönlich am meisten fasziniert haben, sind Athen und Pompeji.  

Auf die Frage, in welchem Schulfach man seiner Meinung nach gut sein sollte, um Archäologe werden zu können, antwortete der Professor, dass das gute Beherrschen von Fremdsprachen für den Beruf des Archäologen von Vorteil ist. Ein Großteil der Literatur, mit der sich ein Archäologe befassen muss, ist nämlich nur in englischer Sprache verfasst. Auch rät der Professor in jedem Fall zum Erlernen der lateinischen Sprache.  

Das Lieblingsfach von Prof. Recke war zu Beginn seiner Schulzeit Mathematik, später dann die Musik. 

Prof. Recke besuchte das Nürtinger Max-Planck-Gymnasium, spielte jedoch im Orchester des Hölderlin-Gymnasiums Kontrabass.