Landwirtschaft 4.0 auch für Kleinbetriebe

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Digitalisierung bei der Pferdehaltung: Automatisierte Futterstation. (Foto: Timo Knauer)

- Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) und Uni Hohenheim erforschen Potenziale von digitaler Landwirtschaft für Kleinbetriebe; 4,2 Mio. Euro Fördergelder -

NÜRTINGEN. „Digitale Wertschöpfungsketten für eine nachhaltige kleinstrukturierte Landwirtschaft (DiWenkLa)“ ist der Titel des neuen Großforschungsprojekts, das mit insgesamt 4,2 Millionen Euro von Bund und Land gefördert wird. Im Verbund mit Projektpartnern von der Universität Hohenheim sowie mit Unterstützung der landwirtschaftlichen Landesanstalten, von Verbänden und Firmen untersuchen Agrarwissenschaftler der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), wie die für Baden-Württemberg typischen kleinen bäuerlichen Familienbetriebe von der Digitalisierung profitieren können.

Big Data, Agrar-Sensoren an Drohnen und landwirtschaftlichen Maschinen, individualisierte-Software-Anwendungen – die sogenannte ‚Landwirtschaft 4.0‘ bietet großes Potenzial. Durch den präziseren und bedarfsgerechten Einsatz von z.B. Dünge- und Pflanzenschutzmitteln werden nicht nur Zeit und Kosten eingespart, sondern gleichzeitig auch Beiträge zum Umwelt- und Ressourcenschutz sowie einem erhöhten Tierwohl geleistet. Doch gerade für bäuerliche Familienbetriebe stellt sich die Frage, ob und in welcher Form sie aufgrund ihrer geringen Betriebsgröße diese Vorteile für sich nutzen können.

Digitale Technologien zum Wohl von Tier und Umwelt

Landwirte sehen sich mit einer zunehmenden Zahl von Anforderungen konfrontiert: Sie sollen umwelt- und naturschonend mit höheren Tierwohlstandards arbeiten, aber dennoch wirtschaftlich produzieren, um das Überleben des eigenen Hofs nicht zu gefährden. Eine Chance können hier digitale Lösungen bieten.

Zum Beispiel lassen sich Pflanzenschutzmittel einsparen, in dem die Landwirte auf mechanische Unkrautbekämpfung umstellen – und diese automatisieren: „Das lässt sich durch Maschinen mit sensorgesteuerten Kameras umsetzen: Ein Bilderkennungsprogramm identifiziert unerwünschte Pflanzen, so dass die Maschine die Anbauflächen selbstständig davon befreien kann“, so der Koordinator des Projekts an der HfWU, Prof. Dr. Markus Frank. Ebenso können mittels digitaler Technologien die optimalen Ernte- oder Mähzeitpunkte ermittelt werden, um besonders hochwertig zu produzieren. „Möglich wird das durch die Kombination von Robotik mit Wetterdaten, die speziell auf den Standort des jeweiligen Betriebs zugeschnitten werden und mit flächenspezifischen Ertrags- und Qualitätsschätzungen des Ernteguts.“

Allerdings ist der Einsatz dieser innovativen Technologien in landwirtschaftlichen Betrieben häufig mit hohen Investitionen in z.B. neue Maschinen verbunden und bringt deshalb vor allem Vorteile für Großbetriebe mit entsprechend großen Feldern und Tierbeständen. Im DiWenkLa-Projekt (Digitale Wertschöpfungsketten für eine nachhaltige kleinstrukturierte Landwirtschaft) sollen deshalb die Hindernisse kleinstrukturierter Familienbetriebe untersucht sowie entsprechende Technologien und Systeme angepasst und weiterentwickelt werden. Gleichzeitig wird durch die Beteiligung der landwirtschaftlichen Praxis im Rahmen einer Vielzahl von Veranstaltungen und Seminaren dazu beigetragen, dass die Digitalisierung in der regionalen Landwirtschaft Einzug hält.

DiWenkLa – ein Verbundprojekt von Wissenschaft und Praxis

Das Projekt gliedert sich insgesamt in 13 Teilprojekte und beschäftigt sich mit den vier Produktionszweigen ‚Ackerbau mit Getreide und Eiweißfrüchten‘, ‚Gemüsebau‘, ‚Grünlandbewirtschaftung mit Rinderhaltung‘ und der ‚Pferdehaltung‘. In zwei Untersuchungsregionen, der Metropolregion Stuttgart sowie dem Südschwarzwald, wird erforscht, mit welchen digitalen Technologien auch Landwirten in Kleinstrukturen einen wertschöpfungssteigernden und selbstbestimmten sowie sicheren Zugang zur Verarbeitung, zum Handel sowie zum Endkonsumenten erhalten.

Die beiden Regionen wurden ausgewählt, weil sie zwei Extreme der Landwirtschaft in Baden-Württemberg abbilden. Die Metropolregion Stuttgart besitzt bereits heute stark vernetzte digitale Strukturen und steht für Gebiete, die künftig vor allem auf die Produktion von Feldgemüse, Getreide, Soja und andere Feldfrüchten setzen. Hinzu kommt eine verstärkte Haltung von Pferden, die überwiegend als Freizeittiere eingesetzt werden. Demgegenüber bildet der Südschwarzwald die Situation von Mittelgebirgsregionen mit zum Teil steilen Hanglagen ab. Typisch für diese Regionen sind viel Grünland, Rinderhaltung und gering entwickelte digitale Strukturen.

Während sich die Partner der Universität Hohenheim auf den Einsatz von digitalen Techniken im Feldgemüseanbau, wie z.B. Kohl und Salat auf der Filderebene sowie in der Rinderhaltung auf Grünlandstandorten im Südschwarzwald konzentrieren, untersuchen die Wissenschaftler des Instituts für Angewandte Agrarforschung der HfWU digitale Entscheidungshilfen und Verfahren im Anbau von Getreide und Eiweißpflanzen sowie in der Pferdehaltung, die in vielen dicht besiedelten Regionen eine bedeutende Rolle spielt. Alle Aktivitäten in diesen Experimentiereinheiten werden von gemeinsamen Arbeiten beider Hochschulen zu ökologischen, ökonomischen und sozio-ökonomischen Forschungsfragen begleitet. Durch einen kontinuierlichen Informations- und Wissenstransfer an die interessierte Praxis und Öffentlichkeit wird die Verbreitung der Forschungsergebnisse sichergestellt.

Prof. Dr. Markus Frank koordiniert das Zusammenspiel und den Austausch der Wissenschaftler in den spezifischen Teilprojekten und mit den beteiligten Praxispartnern an der HfWU. Neben rund 20 landwirtschaftlichen Betrieben sind an dem Projekt die Landesanstalten des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) sowie über 25 Partner aus der Wirtschaft, wie Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, beteiligt.

Bundesweite Förderung der Digitalisierung und Beteiligung des Landes

Das Projekt wird maßgeblich durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen des Programms „Digitale Experimentierfelder in der Landwirtschaft“ finanziert. In diesem Programm werden bundesweit 14 Forschungsvorhaben mit insgesamt ca. 50 Mio. Euro gefördert, um die Digitalisierung der Landwirtschaft in Deutschland flächendeckend zu unterstützen.

Das für Baden-Württemberg einzigartige Projekt ‚DiWenkLa‘ erhält eine Gesamtförderung von rund 4,2 Mio. Euro, von denen das Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz ca. 0,9 Mio. Euro kofinanziert. Die HfWU ist an dem Vorhaben mit einer Fördersumme von gut 1,3 Mio. Euro beteiligt. Das Forschungsprojekt mit einer Laufzeit von zunächst 3 Jahren soll bereits im Verlauf des nächsten Jahres mit ersten Ergebnissen aufwarten.

 

Weitere Informationen zum Projekt:
http://www.diwenkla.de  (im Aufbau)


Kontakt an der HfWU:
Prof. Dr. Markus Frank (Koordination) markus.frank@no spamhfwu.de