Gesundheitstourismus der unbekannte Markt

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Mehr Forschung ist notwendig – Experten treffen sich an der Hochschule - 

NÜRTINGEN (hfwu). Der Tourismus in Deutschland boomt. Viele Regionen und Kommunen setzen auf die Branche als Wachstumsmotor, und gerne auch auf Angebote, die mit Gesundheit und Wellness bei den Kunden punkten sollen. Allerdings wächst der Markt nicht in dem Maße wie erhofft. Laut den Experten des Geislinger HfWU-Studienganges Gesundheits- und Tourismusmanagement liegt dies vor allem daran, dass Anbieter und Verbände zu wenig über den komplizierten Markt wissen. Der Gesundheitstourismus-Kongress am 20. November an der HfWU soll hier für Klarheit sorgen.  

Dr. Horst Blumenstock, Professor in dem Geislinger Studiengang, stellt nüchtern fest, dass sich die Nachfrage nach Angeboten im Gesundheitstourismus nicht so entwickelt hat, wie gedacht. Gleichwohl bauen nach wie vor ehemalige Kurorte oder Kommunen, die nach Alternativen für abgewanderte Wirtschaftsbranchen suchen, auf neue Angebote in diesem Segment. „Dabei wissen wir zu wenig über die Kunden, über die Gäste und darüber, wie die Angebote aussehen sollen, die tatsächlich gewünscht sind“. Laut Dr. Dennis Hürten, ebenfalls Professor im Studiengang Gesundheits- und Tourismusmanagement an der HfWU, springen viele Anbiete immer noch auf einen Zug auf, bei dem sie nicht wissen, wohin er fährt. „ Es fehlt schlicht an Forschung in diesem Bereich“, so Hürten.  

Dieses Defizit, so hoffen die beiden Geislinger Professoren, soll der 3. Gesundheitstourismus Kongress am 20. November beheben. Zumindest soll die Veranstaltung bei den Branchenexperten das Bewusstsein dafür schaffen, wie dringend notwendig mehr fundierte Marktforschung für die Zukunft der Branche ist. „Bisher haben wir bei unserem Kongress vor allem unsere eigenen Projekte und Arbeiten präsentiert. Dieses Mal haben wir bewusst externe Referenten und Kollegen aus der Wissenschaft eingeladen, damit wir einen Blick darauf werfen, was zu tun ist, um die Branche voran zu bringen“, so die beiden Professoren.   

Der Handlungsbedarf ist da: Hürten belegt, dass zweistellige Millionensummen investiert wurden, um den Gesundheitstourismus auszubauen. Die Politik hat vor Jahren die Leistungen für Kuren und Rehabilitation heruntergefahren. Gleichzeitig haben die ehemaligen Kurorte und andere Kommunen entsprechende Angebote ausgebaut. „Man dachte, das zahlen die Kunden. Und nun - viele Kurorte leiden“, bringt Blumenstock die Situation auf den Punkt. „Was genau muss ein Pauschalangebot bieten, damit es gebucht wird?“ ergänzt  Hürten. Er  selbst nimmt sich dabei nicht aus der Verantwortung: „Auch ich weiß immer noch zu wenig über den Markt“. Dies sei nicht nur ein Problem der Branche sondern auch für die Lehre. Blumenstock sieht auch Missverständnisse, die ausgeräumt werden müssen. Zum einen seien Tourismus und seine Gesundheitsvariante zwei verschiedene Paar Stiefel, die nicht eins zu eins aufeinander übertragen werden könnten. Zum anderen seien die Begriffe Wellness und Gesundheitstourismus zu klären: „Beide liegen weit auseinander, Wellness ist allenfalls ein weiteres Segment. Das wird oft in einen Topf geworfen.“  

An der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt ist dagegen diese Begriffsklärung vollzogen. Die beiden Professoren wollen nun mit einem breit angelegten Forschungsprojekt die weißen Flecken im Markt beseitigen. Als Partner wollen sie eine weitere Hochschule, Vertreter der Branche, innovative Kurorte und eine Universität gewinnen. Letztere wird schwer zu finden sein: „Es gibt kaum noch Lehrstühle, die Tourismusforschung betreiben“, so Blumenstock. Daher soll der Kongress die Teilnehmer, vor allem die Gäste aus der Branche, dafür sensibilisieren, wie notwendig eine exakte Marktforschung ist um letztlich auch das Überleben der Branche zu sichern. „Wir werden Finanzierungsanträge stellen, wir sind im Gespräch mit vielen Stellen, aber ganz ohne einen eigenen Beitrag der Branche wird es vermutlich nicht gehen“ so Hürten. Sein Kollege Blumenstock ergänzt, „das Forschungsprojekt ist teuer, aber letztlich werden alle profitieren“. Der Kongress findet am Freitag, 20.11.2015, 10:00 Uhr, an der HfWU in Geislingen in der Parkstraße 4 statt.

Infos: www.hfwu.de/veranstaltungskalender/  

Gerhard Schmücker
Nürtingen, den 05.11.2015