Energie vom Acker

Published at

- Auftakt zur Hochschule für Alle -

NÜRTINGEN (ab) Die Hochschule für Alle, eine Kooperation der Stadt Nürtingen und der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU), ist diese Woche in das Sommersemester gestartet. Unter dem Titel: Nachhaltige Regionalentwicklung: Konfliktlinien und Spannungsfelder, eröffnete Dr. Tobias Plieninger von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften die Reihe. Er zeigte in seinem Vortrag „Energie vom Acker“ kritische Aspekte der Biomasseproduktion und stellte dar, wie der Anbau umwelt- und naturverträglich zu gestalten ist.

Mit drei Veranstaltungen zur nachhaltigen Regionalentwicklung beschäftigt sich die Hochschule für Alle in diesem Sommersemester. Professorin Dr. Cornelia Bott aus dem Studiengang Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung will mit der Reihe das Bewusstsein für die Region schärfen und die Auswirkung nachwachsender Rohstoffe auf die Landschaft verdeutlichen.
Mit dem Film „Vom Landwirt zum Energiewirt“ erfolgte ein erster Einblick in die Biomasseproduktion zur Energiegewinnung. Ein Landwirt aus der Nähe Göttingens schildert in dem Film seine positiven Erfahrungen mit der neuen Technik. Im anschließenden Vortrag von Dr. Tobias Plieninger, der sich an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, mit der zukunftsorientierten Nutzung ländlicher Räume auseinandersetzt, wurden die Aspekte des Films kritisch erläutert und die Chancen für die Landwirtschaft in Deutschland beleuchtet.
Laut des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) waren im Jahr 2006 rund 13 Prozent der Ackerfläche in Deutschland mit nachwachsenden Rohstoffen bebaut. Laut Plieninger mache die Energie vom Acker derzeit den größten Anteil erneuerbarer Energieformen aus – weit vor der Solar- und Windenergie. Nicht zuletzt haben dazu das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die EU-Richtlinie zur Einführung von Biokraftstoffen ihren Anteil geleistet.
Die „natürliche“ Alternative zu fossilen Energieträgern ist jedoch auch kritisch zu betrachten, da insbesondere der Flächebedarf mit anderen Nutzungsmöglichkeiten konkurriere. Auch müsse laut Dr. Plieninger die Kohlendioxid-Effizienz genau betrachtet werden. Eine ausgeglichene Kohlendioxid-Bilanz, wie von Befürwortern häufig behauptet, gebe es nicht, da durch den Pflanzenanbau und die Produktion stets ein ökologischer Rucksack entstünde. Zudem berge die Chance für die Landwirte, sich eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen, die Gefahr einer intensiveren Nutzung der Flächen, mit den entsprechend negativen ökologischen Folgen.
Für Dr. Plieninger ist die Agrarpolitik der Steuermann, um die Chance, die sich durch die Biomassenutzung bietet, in geordnete Bahnen zu lenken: „Die Biomassenutzung ist eine Chance, muss aber genau betrachtet werden, um Fehler zu vermeiden.“ Kinderkrankheiten müssten ausgemerzt werden. Derzeit sei die Euphorie um die neue Technologie, in der Deutschland eine führende Rolle einnehme, überwiegend von Interessengruppen geprägt und müsse nach Plieningers Worten deshalb kritisch verfolgt werden.
Andreas Bulling, 27.04.2007