Die grüne Mobilität kommt, aber nicht sofort

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- Automobilexperte Willi Diez spricht bei den Geislinger Hochschultagen -

NÜRTINGEN. (hfwu) Das Elektroauto ist in aller Munde. Pünktlich zum 125. Geburtstag des Automobils hofft und wartet die Öffentlichkeit auf neue saubere Wege der Mobilität. In der Autobranche ist diese Stimmung angekommen. Professor Dr. Willi Diez ist sich sicher: Die Zukunft gehört Autos mit Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb. Die Frage ist nur, wann diese Zukunft beginnt. „Es wird noch dauern“, betont der Geislinger Automobilexperte.  

Der Geburtstag des Autos wird gefeiert, auch in Geislingen. Am gestrigen Abend hielt Dr. Diez in der Jahnhalle den Hauptvortrag im Rahmen der  Geislinger Hochschultage. Für den vielgefragten Geislinger Professor war dies ein Heimspiel und für Hochschulrektor Professor Dr. Werner Ziegler der Bewies, dass der Prophet im eigenen Haus durchaus etwas gilt – und zwar viel! Das Auto hat die westliche Welt verändert und laut Dr. Diez die Lebensqualität enorm verbessert. Das Auto steht für Mobilität, Unabhängigkeit und Wohlstand. Und nun haben andere Regionen auf der Welt Appetit bekommen. Eine Milliarde Autos gibt es derzeit weltweit, bis in einigen Jahren werden es 2,5 Milliarden sein. Dass diese explodierende Motorisierung wie bislang mit Verbrennungsmotoren von statten geht, lassen die begrenzten Ressourcen nicht zu.

Es tut sich also was, die Branche und die Industrie ist im Wandel. In seiner Begrüßung beschrieb Joachim Müller, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Göppingen einen Paradigmenwechsel, vielleicht den Beginn einer neuen großen Welle, die eine neue Phase in der Wirtschaftsentwicklung einleitet. Einen Wandel in der Schlüsselindustrie Automobil sieht auch Diez. Die Entwicklung läuft für ihn in Richtung Elektroantriebe und Brennstoffzelle. Allerdings goss der HfWU-Professor auch Wasser in den Wein des Wandels: „Noch ist der E-Motor nicht konkurrenzfähig, vor allem bieten Benziner und Diesel noch einige Reserven“.

An dieser Stelle wurde der Professor deutlich: Liegt heute der Durchschnittsverbrauch beim Benzinmotor bei rund sieben Liter, lässt sich dieser technisch und mit weniger Gewicht auf rund 3,5 Liter drücken. Beim Diesel läge laut Diez sogar eine Zwei vor dem Komma im Bereich des technisch Möglichen. E-Motoren bedeuten vor allem ein hohes Batteriegewicht. „Um 500 Kilometer Reichweite zu schaffen, bringt ein moderner Diesel 27 Kilo Gewicht auf die Waage. Die Batterie eines vergleichbaren E-Motors wiegt dagegen über 300 Kilo“. Trotzdem: Die neuen Antriebsarten werden kommen. Vorher müssen die Entwickler aber eine ganze Reihe von Herausforderungen lösen. Und kommt das E-Mobil, dann verändern sich die Märkte und die Struktur der Zulieferbetriebe. „Auch das Werkstattgeschäft wird durcheinander gewirbelt“. Vor allem müsse aber klar sein, dass der Strom für die „grünen“ Elektroautos ebenso grün sein müsse und aus regenerativer Produktion stammt. 

In der Podiumsdiskussion wollten die studentischen Moderatoren Jeannette Isabelle Eickhoff und Mark Klümper dann weniger eine Vision sondern eine reale Kaufempfehlung des Geislinger Autoprofessors. Die gibt es nicht: „Es kommt darauf an, viel oder wenig Lang- oder Kurzstreckenkilometer.“ Bei Langstrecken bleibt der Diesel- oder Benzinmotor unschlagbar. Anders bei den Kurzstrecken. Hier bringt Diez sparsame Benzinmotoren und die verschiedenen Hybridtypen ins Spiel. „Und wann steht der erste E-Porsche in der Diez´schen Hofeinfahrt?“, wollte Mark Klümper wissen. Bei der Antwort floss dann doch reines Benzin durch die Adern des Professors: „Also wenn sie meinen 911er meinen, nie! Dieses Auto ohne Sound ist wie eine kastrierte Katze“.    

Gerhard Schmücker

Nürtingen, 20.05.2011