Der mögliche Mensch

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Der Philosoph Anton Schmitt stellte an der HfWU die Theorie der Grenzsituationen von Karl Jaspers vor.

-  philosophischer Vortrag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen stellte Jaspers Theorie der Grenzsituationen vor  -

NÜRTINGEN. (hfwu) Im Angesicht von Grenzsituationen erfährt der Mensch was ihn ausmacht. Diese Auffassung steht im Mittelpunkt der Existenzphilosophie von Karl Jaspers. Ein Vortrag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) stellte die Theorie des Philosophen und Begründers der modernen Psychiatrie vor. 

Die Herzschwäche und Atemnot war zeitweise so groß, dass Jaspers seine Vorlesungen an der Universität Heidelberg unterbrechen musste. Von Kindheit an war er chronisch krank. Die „biologische Begrenztheit des homo sapiens“, die in Jaspers Theorie der Grenzsituationen eine zentrale Rolle spielt, hatte der Arzt und Philosoph schon früh am eigenen Leib erfahren. Das grundsätzliche Bedingtsein des menschlichen Lebens in Grenzen zieht sich als roter Faden durch Jaspers Existenzphilosophie. Die darauf aufbauende Theorie der Grenzsituationen erläuterte der Philosoph Anton Schmitt jetzt in einem Vortrag an der HfWU im Rahmen des Studium generale.

Grenzsituationen sind Extremsituationen im Leben, in denen das Dasein eines Menschen an seine eigenen Grenzen stößt. Tod, Kampf, Leiden, Schuld aber auch Liebe sind nach Jaspers solche Situationen. Mit ihnen wird jeder im Laufe seines Lebens unweigerlich konfrontiert, weil sie zum Menschseins überhaupt gehören. „Sie sind wie eine Wand an die wir stoßen und sind nicht zu ändern. Wir können die Augen vor ihnen verschließen. Oder ihnen bewusst begegnen – dann führen sie einen zum wahren Selbst“, so Jaspers.

Versuchen wir, uns diesen existenziellen Erfahrungen durch Verdrängung, Selbstbetrug oder Rationalisierung zu entziehen, verlieren wir unser Selbst. Stellen wir uns dagegen den Grenzsituationen eröffnen sie einen neuen Raum der Möglichkeiten und Menschwerdung. Letztlich verdeutlichen sie den Sinn des eigenen Lebens. Hier, so Anton Schmitt, liefere die Jaspersche Existenzphilosophie keine allgemein gültigen Antworten, sondern fordere dazu auf, „das eigene Du zu ergründen“. Die eigenen Grenzen immer wieder neu zu bestimmen ist das zentrale Diktum der Philosophie Jaspers. „Mensch sein heißt Mensch werden“ – und zu begreifen, welche innere Freiheiten aufscheinen, wenn man an die äußeren Grenzen des Daseins stößt.

Das nächste philosophische Angebot im Studium generale an der HfWU ist ein Seminar zum Thema „Was ist der Mensch?“. Es startet nächste Woche an der Hochschule in Nürtingen. Mehr dazu unter www.hfwu.de/studium-generale.  

Udo Renner, 21.04.2016