Auf Besichtungstour der Zukunft

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Die internationalen Studierenden mit Prof. Dr. Christian Arndt (r.) vor dem „Energieplushaus“ B10.

Die Exkursionsteilnehmer in der Weissenhof-Siedlung, dem innovativen Vorzeigprojekt der 20er-Jahre.

- Intercultural Summer School der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) auf Exkursion in Stuttgart -

NÜRTINGEN (hfwu). Der Leitgedanke „Innovation für Nachhaltigkeit“ führte internationale Studierende der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen zu Vorzeigeprojekten nach Stuttgart. Stationen der Exkursion waren das Hightech-Wohnkonzept B10, die Weissenhof-Siedlung und das Zukunftsprojekt IBA Stadtregion Stuttgart 2027.

„Uns geht es nicht nur um eine Besichtigungstour. Anhand von konkreten Projekten wollen wir für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisieren. Im besten Fall nehmen die internationalen Studierenden die Impulse und Gedankenanregungen auf und tragen sie weiter“, erklärt Prof. Dr. Christian Arndt, der mit seinem Team die zweiwöchige Sommerschule „Innovation for Sustainability“ organisiert hatte. Rund fünfzehn Studierende, in diesem Jahr größtenteils von mexikanischen Unversidad Panamericana, nehmen derzeit an dem Programm teil.

Eine der zentralen Fragen der Summer School lautet, wer macht den ersten Schritt bei der Innovation für Nachhaltigkeit? Die Politik mit entsprechenden Gesetzen? Die Menschen und der Markt mit der entsprechenden Nachfrage? „Innovative Unternehmen machen meist den ersten Schritt“, sagt Dr. Frank Heinlein. Der Leiter Unternehmenskommunikation bei der Werner Sobek Group GmbH stellte den Studierenden das Haus B10 vor. Sie gehören zu den letzten, die das Fertighaus und Hightech-Wohnkonzept mitten in der Stuttgarter Weissenhofsiedlung in Beschau nehmen können. Das Zukunftsdomizil war von Anfang an als zeitlich beschränktes Experiment gedacht. Nach fünf Jahren wird es im kommenden Frühjahr wieder abgebaut. Alle verwendeten Materialien ließen sich sortenrein trennen und wiederverwerten. „Ob es recycelt oder an anderer Stelle wieder aufgebaut wird, ist noch unklar“, so Heinlein, der mit der Sobek Group einen der Projektpartner vertritt. Das Aktivhaus, nach seinem Standort im Bruckmannweg 10 kurz "B10" benannt, erzeugt mit einem ausgeklügelten Energiekonzept und einer selbstlernenden Gebäudesteuerung doppelt so viel Energie, wie es selbst verbraucht. Mit dem gewonnenen Überschuss kann auch ein im Haus untergebrachtes Elektroauto versorgt werden. Neben einer maximalen Energieerzeugung ist die effiziente Energiespeicherung die große technologische Herausforderung. Bleibt die Frage, wie beides, Energieerzeugung und -verbrauch ausbalanciert werden kann. „Wie sich die Bewohner verhalten, das Haus nutzen, ist ein weiterer wichtiger Aspekt“, unterstreicht Heinlein. Mit dem Abschluss des Projekts plant die Sobek Group eine Veröffentlichung zu den gewonnenen Erkenntnissen. Während der gesamten Projektlaufzeit werden die Energiedaten an der Universität Stuttgart, unter anderem im Rahmen einer Doktorarbeit, wissenschaftlich ausgewertet.

Mit dem gewonnenen Energie-Überschuss des B10 können Nachbarhäuser wie das des Architekten Le Corbusier versorgt werden. Es beherbergt heute das Weissenhof-Museum, die zweite Exkursionsstation der Studierenden. „Häuser sind Maschinen für das Leben“, eine Grundüberzeugung des Jahrhundert-Architkten Le Corbusier, wie die Studierenden auf der Führung durch die Bauhaus-Siedlung und das Museum erfuhren. Ende der 20er-Jahre als die Weissenhof-Siedlung entstand waren es dort die innovativsten architektonischen Lebensmaschinen ihrer Zeit. Den Bauhaus-Gründern ging es um weit mehr als einen neuen Stil zu etablieren. Die neuen Wohnformen sollten eine bessere Hygiene fördern und transportierten ein modernes Frauenbild.

Eng verbunden ist die Weissenhof-Siedlung mit dem Großprojekt IBA Stadtregion Stuttgart 2027. Hundert Jahre nachdem die europäische Architekten-Avantgarde ihr damals radikales „Wohnprogramm für den modernen Großstadtmenschen“ in Stuttgart vorstellte, soll die Internationale Bauausstellung (IBA) innovative Antworten finden auf die Frage, wie wir in einem digitalen und globalen Zeitalter nachhaltig wohnen und arbeiten wollen. Dr. Rolf Reiner von der IBA-Trägergesellschaft empfing die Studierenden auf ihrer abschließenden Exkursionsstation. Das über zehn Jahre laufende Großprojekt soll der „Region als Ganzes eine neue Identität geben“, erläuterte Reiner den ausländischen Gästen. Es gehe nicht nur um Architektur und städtisches Design, sondern auch um Transparenz, Mobilität, neue politische Beteiligungsformen, generell um alle wichtigen gesellschaftlichen Themen, immer stehe dabei der Mensch im Mittelpunkt. Die HfWU ist im IBA-Prozess bereits fest verankert. Die Themenfelder passen gut in das Profil der Hochschule und tangieren zahlreiche Fachbereiche. So findet Anfang November in Nürtingen bereits zum zweiten Mal der Fachkongress „HfWU Hochschulforum IBA 2027 StadtRegion Stuttgart“ statt.

Das Besondere an der Sommerschule ist, dass sich die Studierenden bei über zehn Unternehmensbesuchen ein eigenes Bild machen und auch die Unternehmensvertreter systematisch befragen können. Das Aktivprogramm führte die Studierenden neben der Weissenhof-Siedlung zu Unternehmen wie Festool, Daimler, Ritter-Sport, eine Kreissparkasse, und zu einem Thinktank auf dem Stuttgarter Wizemann-Areal. Die Teilnehmer der zweiwöchigen Summer School, bei der neben den Exkursionen auch Vorlesungen auf dem Programm standen, zeigten sich begeistert. Sie kehren nachdenklich aber mit vielen neuen Ideen im Gepäck nach Hause zurück.