Welt retten und Geld verdienen

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Prof. Dr. Klaus Fichter stellte den „Green Start-up Monitor 2022“ vor.

Florian Großschmidt, Andreas Decker, Edith Wolf und Prof. Dr. Christian Arndt (v.l.) diskutierten nötige Rahmenbedingungen für erfolgreiche Green Start-ups.

Breites Spektrum an Know-how und Erfahrungen zu Green Start-ups in der Region beim Sustainable Solutions Day an der HfWU

NÜRTINGEN(hfwu). Verschiedene Branchen, verschieden Akteure, wissenschaftliche Expertise: Der Sustainable Solution Day an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) bot ein weites Spektrum an Erfahrungen und Know-how rund um das Thema nachhaltige Firmengründungen. Ein Fazit: Beim Wirtschaften braucht es einen Wertewandel.

So schnell wird sie wohl nicht wiederkommen, eine Gelegenheit, zum Thema grüne Start-ups und nachhaltige Unternehmensgründung in der Region so rundum informiert zu werden. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, geballte Erfahrung von Macherinnen und Machern aus verschiedenen Branchen. Das bot der Sustainable Solutions Day an der HfWU im Rahmen des Studium generale.

„Wie können bessere Bedingungen für gemeinwohlorientierte Start-ups in der Region geschaffen werden?“, so brachte Prof. Dr. Christian Arndt eine der Leitfragen der Veranstaltung auf den Punkt. Was macht generell nachhaltige Firmengründungen erfolgreich? Wie groß ist das Potenzial von Green Start-ups für die Transformation der Region? Arndt leitet zusammen mit Prof. Dr. Erskin Blunck das Projekt „Zukunft.Gründen“ (ZuG) an der HfWU. Das ZuG-Team hatte die Veranstaltung in den Räumen der „Future Box“ in Nürtingen auf die Beine gestellt.

Bevor es um den konkreten Erfahrungsaustausch ging, stand eine Standortbestimmung und Begriffserklärung auf dem Programm. Die übernahm per Video aus Berlin zugeschaltet Prof. Dr. Klaus Fichter. Der Wissenschaftler von der Uni Oldenburg präsentierte aktuelle Zahlen und Einsichten zu grünen Start-ups in Deutschland.

Nicht alles was als "grün" verkauft wird ist tatsächlich nachhaltig. Was genau sind „grüne“ Neugründungen? Der von Fichter erstellte „Green Start-up Monitor“ nennt drei Kriterien. Die Firmen wollen ökologisch und gesellschaftlich etwas verbessern. Die Unternehmensprozesse sind messbar auf diese Ziele ausgerichtet. Und schließlich leisten die Produkte und Dienstleistungen von grünen Start-ups einen belegbaren Beitrag zu den angestrebten Nachhaltigkeitszielen. Die Anzahl der nachhaltigen Neugründungen in Deutschland steigt kontinuierlich, so ein Befund des Monitors. Grün waren im vergangenen Jahr mehr als ein Drittel aller Firmenneustarts. Der Bau- und Immobilien-, sowie der Banken- und Finanzsektor tun sich im Vergleich zu anderen Branchen eher schwer mit nachhaltigen Neuanfängen.

Die gegensätzliche Denkweise, Profit machen oder nachhaltig agieren, sei überkommen, so der Leiter des Borderstep Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit. Den grünen Neugründern gehe es in der Mehrheit um beides, „die Welt retten“ und Gewinne machen. Das Fazit von Fichter: „Die klassische Sicht von Unternehmen nur auf Gewinne ist veraltet. Wir brauchen hier einen Wertewandel.“ Um diesen noch mehr in Gang zu bringen fehle es allerdings an Beratungskompetenz. Mit der Initiative „Zukunft.Gründen“ sei die HfWU hier eine Ausnahme. Mit Blick auf gemeinwohl- und ökologisch orientiertes Gründen gäbe es einen klaren Qualifizierungsbedarf bei den Gründungsberatern.

Einem Wertewandel pflichtete auch Edith Wolf bei. „Alle Unternehmen müssen Nachhaltigkeitsprinzipien in ihrem Kerngeschäft aufnehmen“, so die Vorständin der Stuttgarter Vector Stiftung, gerade auch wenn es an der Bereitschaft dazu in manchen Unternehmen noch mangele. Wolf diskutierte im Anschluss an die Präsentation von Fichter mit Andreas Decker, Geschäftsführung und Leiter Projektentwicklung bei der HOS-Gruppe und mit Florian Großschmidt, Geschäftsführer beim Softwarehersteller Pragmatic Industries. Decker berichtete vom gemeinwohlorientierten und nachhaltigen Projekt Neckarspinnerei-Areal in Unterboihingen. „Nachhaltige und gemeinwohlorientierte Start-ups siedeln sich bevorzugt in einem Umfeld an, das diese Werte widerspiegelt“, ist Decker überzeugt. Die Neckarspinnerei sieht er als Leuchtturm, der in diesem Sinne in die Region strahlen soll. Die Perspektive aus der Immobilien-Branche ergänzte Florian Großschmidt als Finanzexperte. Seine These: Selbstfinanzierte grüne Start-ups halten eher an ihren Nachhaltigkeitszielen fest. Wird das Unternehmen dagegen von Investoren getragen und es wird wirtschaftlich eng, dann könnten grüne Ziele zugunsten von finanziellen unter die Räder geraten.

Auf dem Programm des Sustainable Solution Days stand ein weiteres Panel mit jungen und langjährig Erfahrenen Unternehmerinnen und Unternehmern und eine Abschluss-Diskussionsrunde. Die auch online übertragene Veranstaltung endet am Abend mit ausreichend Zeit zum individuellen Erfahrungsaustausch und Netzwerken.