Was bleibt nach 20 Jahren Rio?

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Foto: (üke) Professor Dr. Rainer Gräf übergibt Alexander Hammen den diesjährigen Umweltpreis. Der Absolvent des Masterstudienganges Umweltschutz erhält die Auszeichnung während des Umwelttages für die beste Masterarbeit im vergangenen Studienjahr. Den Preis stiftet die Firma Beton Marketing Süd GmbH.

- Umwelttag an der HfWU – Umweltpreis verliehen -

NÜRTINGEN. (üke). Die Konferenz von Rio, war da was? Genau 20 Jahre ist es her, dass sich in der brasilianischen Metropole während der Konferenz für Umwelt und Entwicklung die Mitgliedsstaaten der Uno Gedanken um das Wohl des Planeten Erde machten. Am Ende war der Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“ geboren. Während des 22. Umwelttages an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt wurde nun Bilanz gezogen: Was ist geschehen, in den zwanzig Jahren nach Rio?   

Die Agenda 21 gilt als das große Ergebnis der Konferenz, eine Leitlinie, die den Staaten den Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung weist. Ein hehrer Anspruch, der in der Realität eher zur Ernüchterung taugt. Professor Dr. Hans-Karl Hauffe, der an der HfWU Nürtingen-Geislingen den Studiengang Umweltschutz leitet stellt fest, dass der Begriff der Agenda 21 aus dem Jahr heute auch bei einer informierten Klientel fast durchweg auf Unkenntnis stößt. So stellt sich für den Nürtinger Professor erst recht die Frage nach den Ergebnissen der Agenda. Auf der Haben-Seite sieht Hauffe hierzulande eine stark verbesserte Luft- und Gewässerqualität und die Energieeffizienz sei deutlich gesteigert. Dagegen nimmt die biologische Vielfalt immer noch ab und der Umgang mit der Ressource Boden, hängt immer noch davon ab, wie sich die Wirtschaft entwickelt. 

Hinzu kommt: Es ist bei den vielen Akteuren in Wirtschaft und Gesellschaft längst noch nicht klar, was unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist. Dr. Uta Eser formulierte als Resümee ihrer fünf Einwände gegen Nachhaltigkeit, dass der Begriff alles und damit leider auch nichts bedeuten kann. Ihr ging es um die Klärung und schon deshalb spricht die HfWU-Wissenschaftlerin von der Nachhaltigen Entwicklung. Ihr geht es um den langfristigen Weg, eine dauerhafte Richtung, die die Gesellschaften auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit einschlagen müssten. Häufig werde der Begriff der Nachhaltigkeit nur auf die Umwelt angewandt. Tatsächlich geht es um eine dynamische Entwicklung, bei der Wirtschaft, Ökologie und Soziales ineinandergreifen müssen. Für Eser ist es klar, dass es beides braucht,  damit es den Menschen gut gehen kann: Blühende Wiesen und eine blühende Wirtschaft.

Durchaus positiv sieht Gerd Oelsner von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) in Karlsruhe  den Fortschritt nach der Konferenz von Rio. Oelsner http://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/koordiniert die Agenda Aktivitäten auf kommunaler Ebene. Er sieht die Rio-Beschlüsse in den Kommunen angekommen. Zum einen in neuen Formen der Bürgerbeteiligung bis hin zu den Aktivitäten für den kommunalen Klimaschutz. Nahezu flächendenkend wird in Baden-Württemberg über Energieberatungen oder Energieagenturen ein kommunales Energiemanagement angewendet. Viele Städte und Gemeinden treten selbst als Akteure für eine nachhaltige Entwicklung auf und leisten Vorbildfunktionen. Sie beschaffen Lebensmittel und andere Waren aus fairem Handel oder arbeiten mit den Weltläden vor Ort zusammen. 

Und auch die Wirtschaft des Landes hat auf die Rio-Beschlüsse reagiert. Dr. Wolfgang Winkelbauer kann sich die Forderung zur Nachhaltigkeit aus der Daimler AG nicht mehr weg denken. Als Umweltbeauftragter begleitet er diesen Prozess im Werk Rastatt seit der ersten Stunde. Zu Beginn der 90er Jahre fand Umweltschutz dort vor allem dadurch statt, dass möglichst wenige Schadstoffe aus dem Werk in die Umwelt gelangten. Heute ist der Umweltschutz ein ganzheitlicher Ansatz von der Beschaffung bis zur Produktion. Umweltzertifikate und Nachhaltigkeitsberichte machen das Ganze transparent und nachprüfbar. Für die Daimler AG ist die Nachhaltigkeit die Grundlage ihres unternehmerischen Handelns. Allerdings gibt es auch den Druck von außen: „Wir müssen dies alles tun, schon die Ratingagenturen verlangen das“.   

Die Hochschulen selbst sind ebenfalls gefordert, den Prozess der Nachhaltigen Entwicklung voranzutreiben. Die HfWU tut dies gemeinsam mit ihren Partnern aus der Hochschulregion Tübingen-Hohenheim. Dazu gehören neben diesen beiden Universitäten auch die Hochschulen Reutlingen, Albstadt-Sigmaringen und Rottenburg. Dr. Christiane Specht arbeitet an der HfWU für das Projekt „Rendezvous mit der Zukunft“. Dort werden die Aktivitäten der beteiligten Hochschulen vernetzt. Eine Online-Plattform bringt alle Informationen und Projekte zur Nachhaltigen Entwicklung zusammen und sorgt für die ständige Information von Studierenden, Wissenschaftlern und externen Partnern. An der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt selbst ist die Nachhaltige Entwicklung das neue wichtigste Profilmerkmal. Alle Studiengänge sind aufgefordert, die Nachhaltige Entwicklung stärker in ihre Studienpläne zu integrieren. Prorektor Professor Dr. Willfried Nobel zeigte am Beispiel des neuen Moduls „Nachhaltigkeit im Umweltschutz“, wie das Thema Nachhaltigkeit als Studienfach im Masterstudiengang Umweltschutz integriert ist.   

Gerhard Schmücker

Nürtingen, 05.12.2011