Studium generale: Mobil sein ohne Auto

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Prof. Dr. Henning Krug referierte im Rahmen des Studium generale an der HfWU zum Thema Autoabhängigkeit.

- Studium generale der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU), Vortrag Verkehrsplanung, 25.4. Nürtingen -

NÜRTINGEN. (hfwu) Das Studium generale an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) ist in diesem Sommersemester gut besucht. Zur öffentlichen Veranstaltung mit dem eher unbequem anmutenden Titel „Autoabhängigkeit verringern – Mobilität gewinnen“ kamen über 50 Besucher.

Weniger Autofahren und dabei mobiler unterwegs sein – für viele klingt das nach einem Gegensatz. Nicht so für Dr. Henning Krug, Professor für Infrastrukturplanung an der HfWU Nürtingen. Im Rahmen des Studium generale stellte der Leiter des Masterstudiengangs Nachhaltige Stadt- und Regionalplanung vor, wie ein verbessertes Netz im öffentlichen Verkehr zwischen Dörfern und Kleinstädten Probleme wie Staus, Versiegelung und Emissionen mindern kann.

Ein Mensch steuert im Schnitt täglich drei Ziele an. Das kann die Arbeit, das Fitness-Studio oder das eigene Zuhause sein. Diese Zahl ist seit Jahren konstant. „Auch das Zeitbudget ist gleich geblieben“, erklärt Krug. „Wir verbringen täglich durchschnittlich 70 bis 80 Minuten auf dem Weg. Das ist seit Jahrzehnten so, und zwar annähernd weltweit.“ Was sich verändert hat, sind die Längen der einzelnen Wege. Die sind 3,5 mal so lang wie noch in den 60er-Jahren. Bei der Verkehrsplanung im Bund spielt hauptsächlich die Erhöhung der Reichweite eine Rolle. Ein fataler Fehler, wie Krug findet: „Die Siedlungsstruktur wird zu wenig beachtet.“

Mehr Autoverkehr führt zur Verdrängung anderer Verkehrsmittel, macht die Städte weniger lebenswert und die Außengebiete besser mit dem Auto erreichbar – was wiederum alles zur Abwanderung in Vororte und zu mehr Autoverkehr führt. Ein Teufelskreis. Die Straße in der Stadt hat keine Geschäfte mehr und wird zugeparkt, was nicht zuletzt für Familien ein großes Problem ist. „In ihrer Straße lernen Kinder Konfliktverhalten und Stück für Stück ihren Lebensraum zu vergrößern“, erklärt Krug, was der Verlust der Straße als öffentlicher Raum zum Beispiel bedeutet. Wohnen alle Menschen außerhalb der Städte, geht Natur durch Bebauung verloren. Und statt Freiheit durch Mobilität bleibt Zwangsmobilität: Abhängigkeit vom Auto.

Eine langfristige Lösung des Problems sieht der HfWU-Professor im urbaneren Gestalten ländlicher Räume. Mehr Menschen könnten in Mini-Zentren ab zweitausend Einwohner wohnen, die untereinander mit öffentlichen Verkehrsmitteln vernetzt sind. Denn auch Gebiete außerhalb der Großstädte könnten so Busse im Fünf-Minuten-Takt bekommen, die auch genutzt würden. Die gegenseitige Vernetzung der einzelnen Kleinzentren sei besser als die aktuelle Situation, bei der der öffentliche Verkehr fast ausschließlich sternförmig auf die Großstadtzentren ausgerichtet sei. „Ich muss mich mit mehr Menschen in ein Fahrzeug setzen“, ist Krug überzeugt. „Anders kriegen wir die Verkehrsprobleme nicht gelöst. Denn selbst beim Car Sharing bin ich allein und fahre ein bis zwei Tonnen Gewicht mit mir herum.“

n der „Verkehrswende“, für die Krug eintritt, geht es unter anderem darum, die Umweltkosten gerechter zu verteilen. Denn momentan tragen vor allem Menschen ohne Auto, die in großen und kleinen Städten wohnen, die Umweltkosten für diejenigen, die auf dem freien Land wohnen und täglich mit dem Auto in die Stadt fahren. Auch das Fahrrad spielt für Krugs Konzept eine große Rolle. „Das Fahrrad ist aus meiner Sicht das effizienteste Verkehrsmittel, vergleicht man Aufwand und Nutzen“, so der Professor. Gerade bei der Verbindung von weiter außerhalb wohnenden Menschen zu den vernetzten Dörfern und Kleinstädten könnten Fahrräder wichtig sein.

Doch auf dem Weg zu diesem Netz aus Kleinstädten sei noch einiges zu tun. „In der Stadtplanung sind wir mittlerweile sehr gut darin, auf der grünen Wiese oder auf Konversionsflächen zu bauen.“ Aber bei der effizienter machenden Umgestaltung bereits existierender Wohngebiete sei noch Aufholbedarf, räumt Krug ein. Hierfür brauche man neue Instrumente, die bislang noch nicht entwickelt seien. In der an den öffentlichen Vortrag angeschlossenen Diskussion gab es sowohl zustimmende als auch kritische Stimmen. Denn Autofahrer zur Nutzung umwelt- und sozialverträglicherer Verkehrsmittel zu bewegen, stellten sich viele Zuhörer als schwierige Aufgabe vor.

Insgesamt zeigte der Vortrag im Rahmen des Studium generale, dass es möglich und fruchtbar ist, aktuelle und brisante Themen öffentlich zu diskutieren und dabei dennoch ein hohes wissenschaftliches Niveau zu bieten. Krug stellte die komplexen Themen der Stadt- und Verkehrsplanung genau, aber immer mit praktischen Beispielen dar und ermöglichte so den anwesenden Bürgern und Studierenden mitzureden.

In der öffentliche Vortragsreihe „Platz da! Aber wofür? – Anmerkung zur Stadt- und Verkehrsplanung von morgen“ wird es eine weitere Veranstaltung geben. Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis spricht am Mittwoch, 2. Mai, zu dem Thema „ Gewerbeflächen – Klasse oder Masse?“ Detaillierte Informationen und das komplette Studium generale-Programm der HfWU finden sich unter www.hfwu.de/studium-generale .