Nachhaltige Ideen für die Immobilienwirtschaft - Immobilienkongress an der HfWU

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Studiendekan Prof. Dr. Thomas Kinateder (ganz links) mit den Referenten des Immobilienkongress

NÜRTINGEN (pm) Nachhaltigkeit ist als Schlagwort in aller Munde. Dass dahinter in der Immobilienwirtschaft sehr umfassende Konzepte, Bewertungskataloge und Unternehmensstrategien stehen, dies zeigte der jetzt in Geislingen zu Ende gegangen Immobilienkongress der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU)

HfWU-Professor und Studiendekan Dr. Thomas Kinateder griff in seiner Eröffnungsrede vor fast 400 Zuhörern in der Geislinger Jahnhalle die allgegenwärtige Verwendung des Schlagworts Nachhaltigkeit auf und verwies dabei auf den Ursprung des Begriffs aus der Forstwirtschaft. Heute habe der Ausdruck eine sehr weite Bedeutungsspanne. In der Immobilienwirtschaft umfasse sie nicht nur Aspekte der Ökologie, sondern beziehe ökonomische, soziale, technische und nicht zuletzt ethische Gesichtspunkte mit ein, wenn etwa Wohnen als Menschrecht für alle verstanden werde.

Die Reihe der Vorträge eröffnete Dr. Michael Bauer, Geschäftsführer des Stuttgarter Unternehmens Dress und Sommer Advance Building Technologies. Sein Vergleich von Green Building Labels machte deutlich, dass nachhaltiges Bauen längst Standardthema in der Branche ist. Immer öfter werde das Thema als ein zentraler Bestandteil des Geschäftsmodels verstanden, so Bauer. Im Sinne der Nachhaltigkeit müsse allerdings auch bezüglich der Green Building Labels ständig an einer inhaltlichen Weiterentwicklung gearbeitet werden. Mit dem Begriff Green Building sei weit mehr als nur Energieeffizienz gemeint. Standortwahl, Abfallentsorgung, die Verwendung von schadstoffarmen Baustoffen, dies seien nur einige Punkte, die genauso zum Themenfeld gehören. Der deutschen Immobilienwirtschaft attestierte Bauer in Sachen Nachhaltigkeit einen internationalen Spitzenplatz. Das Thema sei zudem längst bei den Kunden angekommen. Diese erwarteten von den Dienstleistern in diesem Bereich durchgehende Prozesse, von ersten Ideen bis zur Projektrealisierung. In seinem Vergleich internationaler Green Building Labels ging Bauer auf die national verschiedenen Kriterienkataloge sein. Neben ökologischen Kriterien spielten hier auch soziokulturelle, funktionale, qualitative, ökonomische und technische Aspekte eine wichtige Rolle. Damit werde die weite Spanne des Verständnisses von Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft deutlich. In Deutschland werde Green Building mit 60 Kriterien definiert – entsprechend sei Know-how und eine fundierte Ausbildung in diesem Feld nötig. Bauer sieht den deutschen Kriterienkatalog international im Vorteil, da er insbesondere ökologische als auch ökonomische Aspekte berücksichtigt. Als nachhaltigen zukünftigen Ansatz forderte Bauer ein Live-Cycle-Engeeniering, einen noch weiter als bisher gefassten Ansatz der Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft. In der anschließenden Diskussion des Vortrags verwies HfWU-Professor Dr. Hansjörg Bach auf die Grenzen der Umsetzbarkeit des Green Building. Ökologische Forderungen seien vernünftig, aber mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre seien „die Grenzen erreicht, was ökonomisch darstellbar ist“.

Im folgenden Referat „Nachhaltigkeit als Wertkomponente bei Immobilien“ stellte Wolfgang Kubatzki, Mitglied der Geschäftsleitung von Feri EuroRating Services AG, ökonomische Aspekte in den Mittelpunkt: „Das Maß für ein Rating muss die Wirtschaftlichkeit sein“. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, wie der grundsätzliche Zielkonflikt zwischen ökologischen, soziokulturellen und ökonomischen Ansprüchen gelöst werden kann. In diesem Zusammenhang stellte Kubatzki den wissenschaftlich basierten Rating-Ansatz von Feri vor, mit dem das Unternehmen Kriterien der Nachhaltigkeit in die Bewertung von Immobilien integriert. Kubatzki hob die grundsätzliche Problematik hervor, Nachhaltigkeit methodisch in die Bewertung von Immobilien zu integrieren. Hier bestehe noch kein allgemeingültiges Model, mit Blick auf die Hochschule betonte er, hier sie durchaus auch die Wissenschaft gefragt.

Die Diskussion um die Nachhaltigkeit betrachtet Kubatzki mittelfristig als obsolet: „In zehn Jahren wird keiner mehr über verschiedene Nachhaltigkeitslabels diskutieren – weil dann Nachhaltigkeit zum selbstverständlichen Standard geworden sein wird.“ Für die Bewertung von Immobilien werden nach seiner Einschätzung in den kommenden Jahren unter anderem Gesichtspunkte wie die reale wirtschaftliche Nutzungsdauer einer Immobilie und die Veränderungen am deutschen Markt maßgeblich sein.

Nachhaltigkeit in der Wohnungswirtschaft sei häufig gleichbedeutend mit Energieeffizienz. Zu diesem Ergebnis kommt Oliver Helms vom iwb-Institut in Braunschweig, der in zahlreichen Studien untersucht hat, welche Sanierungsmaßnahmen bei welchen Wohnungsbeständen überhaupt sinnvoll sind. Der Sanierungsexperte führte aus, „dass energetische Sanierungsmassnahmen nur bei etwa der Hälfte der von ihm untersuchten Wohngebäuden vernünftig erscheinen.“

 
Das Sanierung im Sinne einer nachhaltigen Weiterentwicklung auch ein strategisches Ziel sein kann, referierte Dorothee de la Camp, frisch gebackene Absolventin des Studiengangs Immobilienwirtschaft und jetzt Mitglied des Projektteams zur Sanierung der Konzernzentrale der Deutschen Bank AG. Mit der Sanierung ihrer bekannten Zwillingstürme in Frankfurt will der Finanzkonzern mehr als nur eine nachhaltige Firmenzentrale erreichen. „Nachhaltigkeit wird als Teil der Unternehmensstrategie verstanden“, erklärte Dorothee de la Camp. Die ehemaligen „Soll-und-Haben-Türme“ werden zu „Greentowers“, die die höchsten Maßstäbe der Nachhaltigkeit erfüllen und mit dem besten Gütesiegel zertifiziert werden sollen.

 Der Schwerpunkt des Vortrages von Winfried Clever, Projektleiter der Entwicklungshilfeorganisation DESWOS aus Köln, waren die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit. Anhand von eindrucksvollen Projektbeispielen und bedrückenden Bildern mehrerer DESWOS-Projekte in Indien, Nicaragua und Südafrika zeigte er auf, mit welch einfachen Mitteln und mit wie wenig Geld Menschen eine nachhaltige Zukunft geboten werden kann. Nachhaltigkeit als ethisches Konzept und eben nicht nur als rein technische, funktionale Größe.