Hochschule für Alle

Published at |

Sinn und Unsinn der Agrarpolitik


NÜRTINGEN. (pm) Brauchen wir für eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft agrarpolitische Weichenstellungen oder kann dieser Prozess am besten durch die „unsichtbare Hand des Marktes“ reguliert werden? Das war die Kernfrage der 2. Veranstaltung im Rahmen der Hochschule für Alle, die am Mittwoch-Abend an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen stattgefunden hat.

Dr. Dr. Stefan Mann von der schweizerischen Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon (ART) antwortete auf die Kernfrage diplomatisch: „Kommt darauf an“, war seine Antwort. Während in Ländern wie Neuseeland, in denen die Landwirtschaft einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftssektor darstellt, ordnungspolitische Leitlinien genügten, sei ein Land wie die Schweiz auf Agrarpolitik angewiesen.

Der Leiter der Forschungsgruppe „Prognosesysteme“ an der Forschungsanstalt Agroscope des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements erläuterte, dass Landwirte in der Schweiz einen so großen Teil ihres Einkommens aus Subventionen erhalten wie in fast keinem anderen Land der Welt – und 75 Prozent der Bevölkerung befürworten diese staatliche Unterstützung. Ein Grund für diese hohe Akzeptanz, so der Wahl-Schweizer, sei kultureller Natur: ein erheblicher Teil der schweizerischen Bevölkerung hat bäuerliche Wurzeln. Ein weiterer Grund aber sei die Einsicht, dass eine gute landwirtschaftliche Praxis Ziele fördert, die weit über die Produktion von Nahrungsmitteln hinausgehen: Sie dient dem Schutz von Wasser, Luft und Boden sowie der Erhaltung der Biodiversität und des Landschaftsbildes.

„Multifunktionalität“ nennt Stefan Mann das, und er ist sich sicher: Dieses Leitbild bildet die komplexe Realität der Landwirtschaft besser ab als die so genannte Wohlfahrtsökonomie, die auf die Selbstregulierung des Marktes setzt. Externe Kosten wie der Verlust von Umwelt- oder Lebensqualität müssten durch Agrarpolitik internalisiert werden. Freilich müsse die bisherige Zuteilung von Subventionen nach dem „Gießkannenprinzip“ korrigiert werden, um Ineffizienzen und Fehlallokationen zu vermeiden. In der Schweiz arbeitet man daher derzeit an einem regional differenzierten Stützungskonzept – eine exklusiv schweizerische Perspektive, die sich in der Agrarpolitik der EU aber bis auf weiteres wohl nicht realisieren lassen wird.

Den Abschluss der Hochschulreihe „Hochschule für Alle“ im Wintersemester markiert am 16. Januar das Thema „Energieerzeugung: Bilanz der Biomassennutzung.“