Glück durch Verzicht – Studium generale-Vortrag

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Prof. Dr. Albrecht Müller

- Studium generale der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU), Vortrag Planung und Ethik, 11.4. Nürtingen -

NÜRTINGEN. (hfwu) Auf hohem wissenschaftlichen Niveau und mit mehr als hundert Zuhörerinnen und Zuhörern nahm das Studium generale an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) im Sommersemester 2018 seinen Auftakt. Der Ethikbeauftragte Prof. Dr. Albrecht Müller sprach zum brisanten Thema „Planung und Ethik – darf jeder bauen und fahren wie er will?“ und hielt damit zugleich seine Abschiedsvorlesung.

Bauen und fahren wir weiter wie bisher, stoßen wir gesamtgesellschaftlich auf Probleme. Allein im Jahr 2015 wurden jeden Tag 66 Hektar Land überbaut, hielt Prof. Dr. Albrecht Müller gleich zu Beginn seines Vortrags die erschreckende Wirklichkeit vor Augen. Im voll besetzten Hörsaal sitzen rund 110 Hochschulangehörige und Gäste, die gespannt den Ausführungen des Ethikbeauftragten der HfWU lauschen. Doch wie mit den Umweltbelastungen umgehen? Wir können die Effizienz steigern und mehr in die Höhe statt in die Breite bauen. Wir können auf Elektromobilität statt den Verbrennungsmotor setzen. „Diese Ansätze sind gut, wir sollten sie unterstützen“, führt Müller aus. „Aber auf diese Wiese lösen wir die Probleme nicht vollständig. Wir müssen uns auch an das halten, was weniger Spaß macht: Verzicht.“

Müller geht weiter in die Tiefe und fragt, an welche Ethik wir uns halten sollen: Die Tugendethik nach Aristoteles, die uns Glücklichsein durch Mäßigkeit und Freigiebigkeit verspricht? Hier gibt es nur Empfehlungen, keine Regeln, keinen moralischen Zeigefinger. Oder ist das zu weit entfernt von den wirtschaftlichen Realitäten? Ist eine Pflichtenethik nach Kant sinnvoller? Schließlich ist Autofahren keine Stilfrage allein. Die Abgase und der Straßenbau verletzen die Rechte anderer. Rechte, aus denen sich Pflichten für die Autofahrer ergeben.

Zuletzt verbindet Müller die beiden philosophischen Ansätze und fragt, ob eine vernunftorientierte Pflichterfüllung nicht auch zu Selbstzufriedenheit führt: „Es macht mich glücklich, den berechtigten Anspruch anderer auf saubere Luft zu respektieren.“ Der Verzicht ist moralische Pflicht, und kommt doch ohne Bevormundung durch andere aus. Das hohe Niveau der Vorlesung und die rege Beteiligung an der Fragerunde im Anschluss führten vor Augen, was das Studium generale an der HfWU zu leisten vermag.

Prof. Dr. Albrecht Müller hat es 2007 selbst mit ins Leben gerufen. Mit dem Vortrag am Mittwoch verabschiedete er sich nun aus der Professur. „Ich will nicht ganz aufhören“, so der Ethikbeauftragte. „Nur keine Klausuren mehr korrigieren.“ Für gelegentliche Vorträge und Ähnliches sei er nach wie vor offen. Ein Angebot, das die zahlreich anwesenden Kollegen, Studierende und Gäste gerne zur Kenntnis nahmen. Prof. Dr. Andreas Frey, Rektor der HfWU, bedankte sich bei Müller für dessen Engagement. 2001 war der studierte Tiermediziner, der sich schon früh auf ethische Aspekte seines Felds spezialisiert hatte, nach Nürtingen gekommen. Viele Publikationen, die Einwerbung von Drittmitteln und nicht zuletzt seine Arbeit im Zentrum für nachhaltige Entwicklung machten Müllers Zeit an der Hochschule zu einem großen Erfolg. So bewertete es nicht nur Frey, sondern auch Müller selbst. Auch aber nicht nur im Studium generale sei das Über-den-Tellerrand-Schauen, der Brückenschlag zwischen Wirtschaft und Umwelt, zentraler Bestandteil des Selbstverständnisses der Nürtinger Hochschule, so Frey.

Unter dem Titel „Platz da! Aber wofür? – Anmerkung zur Stadt- und Verkehrsplanung von morgen“ sind im Rahmen der öffentlichen Reihe zwei weitere Vorträge geplant. Am Mittwoch, 25. April, erklärt Prof. Dr. Henning Krug, wie weniger Autoabhängigkeit zu mehr Mobilität führen kann. Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis spricht schließlich am Mittwoch, 2. Mai, zu dem Thema „ Gewerbeflächen – Klasse oder Masse?“ Detaillierte Informationen und das komplette Studium generale-Programm der HfWU finden sich unter www.hfwu.de/studium-generale .

Laura Schlegel, 11.4.2018