Es liegt was in der Luft

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- Umwelttag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt –
NÜRTINGEN. (pm) Es liegt was in der Luft und gut ist es nicht. Zu sehen (oder besser zu riechen?) ist dies beim Thema Feinstaub. Dass dieser eine ernste Gefahr ist, dürfte großen Teilen der Öffentlichkeit erst bewusst geworden sein, seit bekannt ist, dass in vielen Großstädten die Grenzwerte in diesem Jahr überschritten wurden. Wissenschaftlich befasste man sich nun auf dem Umwelttag der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen mit Feinstäuben, Blei- und anderen Verbindungen, denen man täglich ausgesetzt ist.


Dass man inzwischen mehr über die Verbreitung dieser Substanzen weiß, liegt unter anderem daran, dass man aufgrund von EU-Vorgaben verpflichtet ist, diese insbesondere in den Städten aufzuspüren.. Dr. Peter Michel Valet von der Gesellschaft für Umweltmessungen und Erhebungen (UMEG) in Karlsruhe zeigte die Hintergründe und Konsequenzen auf. War die Umweltpolitik vor 10 Jahren hauptsächlich ein nationales Thema, kommen nun die Anforderungen von der EU. Allein 15 Änderungen waren in der deutschen Gesetzgebung seit 1998 notwendig, um die Anforderungen bei der Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung zu erfüllen, die durch die EU verlangt werden. In vielen Bereichen hatte die Bundesrepublik allerdings wenig Probleme, die nationalen Standards an die internationalen Anforderungen anzupassen. Neu sind dagegen eine höhere Transparenz durch stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit und der gebietsbezogene Immissionsschutz mit der Identifizierung der Verursacher. Beide Aspekte dürften einen deutlich höheren bürokratischen Aufwand zur Folge haben.
Ein typisches Beispiel dafür, wie die Kenntnis der Gefahren die Wahrnehmung verändert, liefert die baden-württembergische Landeshauptstadt. Dr. Ulrich Reuter vom dortigen Amt für Umweltschutz stellte fest, dass sich die Luft in Stuttgart seit 1982 kontinuierlich verbessert habe, wie die Messungen ergeben haben. Ein positiver Befund, der jedoch am Problem Feinstaub nichts ändert: seitdem Grenzwerte für Feinstaub festgelegt worden sind, werden diese regelmäßig überschritten. Die jährlich erlaubte Zahl der Tage mit erhöhten Feinstaubwerten wurde an manchen Messpunkten bereits im Februar erreicht. In Stuttgart ist man sich des Problems bewusst. Die Behörden versuchen gegenzusteuern. LKW-Durchfahrten sollen verboten werden und für Autos sollen entsprechend ihrer Abgaswerte zeitlich gestaffelte Fahrverbote für das Stadtgebiet gelten. Allein technische Maßnahmen bringen jedoch wenig, weniger Verkehr dagegen am meisten. Ein Weg, den eine andere deutsche Großstadt geht, ist der der Leugnung: „Wir haben nichts gemessen, deshalb keine Grenzwertüberschreitung und brauchen deshalb auch nichts tun“, zitiert Reuter einen Kollegen.
Gelöst ist mit dieser Haltung nichts. Die Auswirkungen auf Mensch und Tier bleiben, aber auch auf Pflanzen. Graskulturen und Flechten nutzt der Nürtinger Professor Dr. Wilfried Nobel, um die Schadstoffbelastungen an vielbefahrenen Straßen nachzuweisen. Auf beiden Seiten der A8 pflanzte er mit seinen Mitarbeitern diese Kulturen an und setzte sie bis zu einem Jahr lang den Abgasen von rund 80.000 Fahrzeugen pro Tag aus. Diese sogenannten pflanzlichen Bioindikatoren liefern zuverlässige Ergebnisse über die Belastung der Luft durch die Schadstoffe aus dem Kfz-Verkehr.
Professor Dr. Rainer Dierkesmann vom Stuttgarter Klinikum Schillerhöhe befasst sich berufsmäßig mit den Auswirkungen von Feinstäuben auf die menschliche Gesundheit. Und dabei gilt die Formel: Je feiner der Staub, desto gefährlicher. Er stellte fest, dass Stäube für gesunde Menschen keine Gefahr darstellen, sehr wohl aber für ältere und kranke Personen. Aber, um beim Verkehr zu bleiben, Stäube aus der Verbrennung fossiler Energieträger seien am gefährlichsten. Dierkesmann hält die Maßnahmen der Stadt Stuttgart für maßvoll. Die angedachte Nassreinigung von Straßen ist aus seiner Sicht allerdings eher kontraproduktiv, da dann gröbere Stäube als Anlagerungsobjekte für ultrafeine Stäube fehlen.
Zu feiern gab es auch etwas: Wie in jedem Jahr nutzten die Gastgeber den Umwelttag, um die Umweltpreise für die besten Abschlussarbeiten im Studiengang Umweltschutz zu verleihen. Isabel Pokorni und Anja Landgraf waren die Preisträger des gemeinsamen Masterstudienganges der Hochschulen Nürtingen, Stuttgart, Esslingen und Reutlingen. Für seine Abschlussarbeit wurde zusätzlich Heiko Potschkay mit dem Sonderpreis der Koordinationsstelle Umwelt ausgezeichnet, der von der Deutschen Bundes-Umweltstiftung vergeben wird.
Gerhard Schmücker, 06.12.2005