Eine Stimme für den Mittelstand

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Foto (E. Tsamalouka): Heftig diskutiert wurde in der Abschlussrunde des Tages der Finanzen. Doch alle brachen für die Nöte des Mittelstandes die Lanze. Oliver Hans (Börse Stuttgart), Dr. Hendrick Wolff (Wolff & Häcker Finanzcolsulting AG), Marc Losch (Losch Airport Service GmbH), Dr. Dr. Dietmar Ernst, Harald Bohnert (ASPRo GmbH), Oswald Metzger, Michael Streich (BambooVentures) und Thomas Wolf (Kreissparkasse Göppingen).

- Tag der Finanzen an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen – Oswald Metzger: Politik versteht den Mittelstand nicht –

NÜRTINGEN. Zum zweiten Mal widmete sich der Tag der Finanzen der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) den Anliegen der mittelständischen Wirtschaft. Laut Veranstalter Professor Dr. Dr. Dietmar Ernst ist der Mittelstand die Kraft, die den Südwesten Deutschlands nach vorne bringt und gleichzeitig die faszinierendste Form wirtschaftlichen Handelns. Doch die Zeiten sind ernst für die Vorzeigebranche: Es wird für die Unternehmen immer schwieriger an das notwendige Kapital zu kommen. Die Lösung, die Ernst gemeinsam mit Dr. Hendrick Wolff entwickelt hat, ist bestechend einfach: Unternehmen sollten sich gegenseitig finanzieren. 

Die Finanzierungsprobleme des Mittelstandes brachte auch HfWU-Rektor Professor Dr. Werner Ziegler in seiner Begrüßung auf den Punkt. „Was sind das für verwirrende Zeiten, in denen gegen Banken demonstriert wird und Rettungsschirme aufgespannt werden. Unter denen findet allerdings unser Mittelstand wenig Platz und bleibt im Regen stehen“. Ziegler war nicht der einzige während des Tages der Finanzen, der zum einen ein Lob- und zum anderen ein Klagelied anstimmte. Vor allem der Hauptredner des Abends, der Ex-Grünen Politiker und Publizist Oswald Metzger, lobte den Mittelstand als die wirtschaftliche und mentale Stütze unserer Gesellschaft. Er beklagte gleichzeitig die Politik, die den Mittelstand nicht hört und wenn, dann nicht versteht. Welche wirtschaftliche Kraft diese Unternehmen verkörpern, fasste Dr. Dr. Ernst in Zahlen: satte 99,7 Prozent der Firmen in Deutschland seien mittelständische Unternehmen, nicht selten im Familienbesitz. Diese schiere zahlenmäßige Übermacht ändert nichts daran, dass sich diese Firmen bei den Banken schwer damit tun, an das nötige Geld zu kommen, um Wachstum und Innovationen zu finanzieren. Die Eigenkapitaldecke ist dünn und fremdes Kapital als Alternative teuer. HfWU-Finanzprofessor Ernst hat den Mittelstand als Forschungsfeld für sich entdeckt. Dessen nachhaltige Finanzierung liegt ihm am Herzen. Eine Herzensangelegenheit auch für seinen Chef, HfWU Rektor Ziegler, dieser ist zum einen Ex-Banker und  hat zum anderen seine Hochschule für die Nachhaltige Entwicklung profiliert: „Nachhaltigkeit und Wirtschaft ist unser Hauptanliegen“.

Unter dem aktivierenden Namen „Mit-Fit“ legte Dr. Ernst ein Konzept auf den Tisch, das ausformuliert „Mittelstands-Finanzierungs-Teilhaber-Konzept heißt. Dr. Hendrick Wolff von der Wolff & Häcker Finanzconsulting AG ist der Mitautor des Konzeptes. Das Konzept geht von der einfachen Annahme aus, dass der Mittelstand nur schwer neue Geldquellen erschließen kann. Gleichzeitig beträgt das deutsche Privatvermögen rund 5000 Milliarden Euro. Geld, das Anlagemöglichkeiten sucht aber nicht weiß wohin. Dr. Wolff stellt den irrationalen Trend fest, dass viele Anleger dort investieren wo die größten Risiken liegen und bereits neue Blasen wachsen, anstatt vor Ort stabile und gesunde Unternehmen zu stützen. Das Mit-Fit Konzept will dagegen Synergien nutzen, die jedes Unternehmen besitzt: Kunden, Lieferanten, Partner. Viele Firmen unterhalten Vertrauenspartnerschaften. Wolff möchte den Grundgedanken des „ehrbaren Kaufmanns“ aus den Zeiten der alten Hanse wiederaufleben lassen. Sein Prinzip lautete schlicht: Unternehmen finanzieren Unternehmen. Auf diesem Grundsatz wollen die beiden Finanzexperten Möglichkeiten schaffen, dass sich gesunde Unternehmen gegenseitig Kapital verschaffen oder sich gar aneinander beteiligen. So fände der Mittelstand Kapitalgeber, die passen, schafft sich nachhaltige Finanzierungsmöglichkeiten und weniger Abhängigkeiten von Banken. Das Ganze solle dann einfach, unkompliziert und verständlich von Statten gehen.

Das Konzept stieß auf deutliches Wohlwollen. Laut Oswald Metzger müsse der Mittelstand ohnehin selbst für sich sorgen, da die Politik nicht helfen werde. Sie konzentriere sich auf Großstrukturen, der Mittelstand sei dagegen politisch heimatlos.     

Nicht ganz: Thomas Wolf von der Kreissparkasse Göppingen nahm für sich in Anspruch, durchaus ein Anwalt des Mittelstandes zu sein. Sein Haus achte darauf, industrielle Partner in Finanzierungsmodelle zu integrieren. Marc Losch, Geschäftsführer der Losch Airport Service GmbH, warnte ebenfalls vor einer Bankenschelte. „Es geht durchaus, mit der Hausbank Wachstumsprojekte nachhaltig zu finanzieren“. Sein Unternehmen sei um das Doppelte gewachsen, mit der Hausbank an der Seite. Das ist Harald Bohnert nicht gelungen. Für seine ASPRo GmbH war es nicht möglich bei Banken oder am Kapitalmarkt das notwendige Geld für weitere Innovationen zu bekommen. Sein Weg steht dafür nun als Musterbeispiel für das Mit-Fit Konzept: Nach langer Suche ist am Ende sein eigener Steuerberater und Anwalt mit einer Kapitalbeteiligung in das Unternehmen eingestiegen.

Womöglich hätte ihm auch Michael Streich helfen können. Seine BambooVentures GmbH bringt junge Unternehmen aus der Umwelttechnologie mit passenden Kapitalgebern zusammen. Das ist nicht leicht, die Vorbereitung dauert lange, aber letztlich profitieren beide Seiten. Die Finanzierung der mittelständischen Industrie kann ein attraktiver Anlagemarkt sein. „Bondm“ ist dafür ein Beispiel. Oliver Hans, der Geschäftsführer der Stuttgarter Börse, hatte dieses Produkt, das in den Mittelstand investiert, aufgelegt. Heute ist Bondm eine Erfolgsgeschichte. Die Nachfrage nach den Titeln ist ungebrochen und hoch.   

Gerhard Schmücker, 27.10.2011