Dickkopf gerettet

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Schützen durch nützen: Prof. Dr. Jan Sneyd präsentiert den Dickkopfweizen und die ersten aus ihm entstanden Brötchen.

- fast ausgestorben, jetzt rekultiviert: Bäckerei und Professor retten alte Getreidesorte Dickkopfweizen -

NÜRTINGEN. (hfwu) Der Dickkopfweizen steht auf der Liste der aussterbenden Getreidesorten. Ein Bäckerhaus und ein ehemaliger Professor der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) wollen das ändern. Die Rettung des hochwertigen Brotweizens soll die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Regionalität bei der Erzeugung von Lebensmitteln unterstreichen.

Vor 50 Jahren war er praktisch ausgestorben, heute ist  der Dickkopfweizen von Weizen-Hochzuchtsorten fast vollständig verdrängt. Nun soll die seltene Getreidesorte aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt werden. „Für mich hat sich mit diesem Projekt eine ganz neue Sicht auf das Prinzip der Nachhaltigkeit eröffnet, das wir seit Jahren verfolgen“, betont die Geschäftsführerin des Bäckerhaus Veit, Erdmute Veit-Murray. Denn bauen die Landwirte bestimmte Sorten nicht mehr an, sterben diese auf den Feldern aus. Und an Hochschulen oder Genbanken kann das Saatgut nur eine begrenzte Zeit keimfähig gehalten werden, so Veit-Murray. In der geplanten Verarbeitung des Dickkopfweizens sieht die Bäckerei-Chefin so auch einen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt: „Denn nur was verbackt wird, wird auch angebaut.“

Fachlich betreut wird die Rekultivierung des Retro-Weizens, der seinen Namen der breiten und dichten Ährenform verdankt, von Dr. Jan Sneyd. Der ehemalige Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen hegte und pflegte schon während seiner aktiven Forscherzeit alte Getreide-Landsorten. Deren Rettung hat ihn auch im Ruhestand nicht losgelassen. Im Rahmen des Rekultivierungsprojekts, das bereits 2005 startete, betreute er den Anbau des Getreides an drei Standorten, unter anderem auf einem Feld beim Freiluftmuseum Beuren. Die erste Ernte betrug nur wenige Kilogramm, mit ihr wurden sogleich Backversuche unternommen. „Unsere Bäcker experimentieren noch, denn der hohe Eiweißgehalt im intensiveren Anbau unterscheidet den Dickkopfweizen von den modernen hoch gezüchteten Sorten, erklärt die Geschäftsführerin. Sie sieht das Engagement ihres Hauses zudem als einen Beitrag, den Schritt zur Regionalität bei den Produkten fortzusetzen.

Die ersten Erfolge haben sich schon eingestellt. In diesem Jahr werden rund 300 Kilogramm des dickköpfigen Getreides geerntet, 50 Kilogramm werden für weitere Backversuche verwandt, 200 Kilogramm zur Weitervermehrung. So rechnet Veit für nächstes Jahr mit einer Ernte von zirka vier Tonnen. Dann wird es das neue Dickköpfli-Brot zu kaufen geben. Neben den guten Anbaueigenschaften zeichnet sich der Dickkopfweizen besonders durch seine Backqualität und Bekömmlichkeit aus.

2012 soll auch die administrative Wiedergeburt des „Veit Dickkopfweizen Premium Qualität“ abgeschlossen sein. So ist er zur Roten Liste ebenso angemeldet wie als wertvolle „Erhaltungssorte“ und „genetische Ressource Baden-Württemberg“. Und ein Platz auf der Arche Noah für Pflanzen, der globalen Saatgut-Bank auf der norwegischen Insel Spitzbergen, ist ebenfalls schon beantragt.

Autor: Udo Renner

Nürtingen, 22.09.2011