4. Tag der Finanzen / Termingeschäfte mit Potenzial

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Die Referenten des 4. Tages der Finanzen auf dem Podium in der Nürtinger Stadthalle.

Die Referenten des 4. Tages der Finanzen auf dem Podium in der Nürtinger Stadthalle.

„Derivate sind die Zukunft“


NÜRTINGEN. (ab) Wer an der Börse Geld anlegt, dem ist der Begriff der „Derivate“ nicht gänzlich fremd. Diese von einem Basiswert abgeleiteten Termingeschäfte standen im Mittelpunkt des 4. Tages der Finanzen. Eine Veranstaltung des Campus of Finance der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) und des German Institutes für Corporate Finance in der Stadthalle Nürtingen.

„Derivate – vom Nischenprodukt zum Alleskönner“, so lautete der Titel des 4. Tages der Finanzen. Und die Experten waren sich einig, dass in diesen Finanzinstrumenten noch eine Menge Potenzial schlummert.

Für Professor Dr. Dr. Dietmar Ernst, Leiter des Masterstudiengans International Finance an der HfWU, galt es zunächst die 250 Zuhörer in das Thema „Derivate“ einzuführen. Was in der Finanzbranche längst zum Standardinstrument gehöre, finde auch darüber hinaus immer breitere Anwendung, so der Professor. Das Finanzinstrument leitet sich von einem Basiswert, zum Beispiel einer Aktie, einer Währung oder einem Rohstoff ab und ist sozusagen eine Wette auf die künftige Entwicklung des Basiswerts. Dadurch ergeben sich einerseits Spekulationsmöglichkeiten, andererseits werden „Derivate“ aber auch zur Bestandssicherung und Verlustbegrenzung oder zur Nutzung von Preisunterschieden eingesetzt.

Auch wenn diese Finanzinstrumente erst seit Mitte der 1980er Jahre stark wachsen, ist es doch keine neue Entwicklung der Finanzbranche. Professor Dr. Dr. Ernst verdeutlichte dies am Beispiel der Babylonier vor 4000 Jahren und später bei den Römern, bei denen Optionsgeschäfte auf landwirtschaftliche Produkte bekannt waren. Heute werden Zertifikate, Optionen und Futures auf alles Mögliche gehandelt. Zwar besteht stets ein Verlustrisiko, aber dagegen können diese Geschäfte auch bei fallenden Kursen Gewinne erzielen.

An der Stuttgarter Euwax, der führenden Derivate-Börse in Europa, werden täglich bis zu 45.000 Aufträge bearbeitet, wie Sven Gruler berichtete. Gruler war sieben Jahre lang Händler und ist inzwischen als Prokurist für die Emittentenbetreuung zuständig. Er sieht die steigende Nachfrage der Kunden, weiß aber auch, dass Information und Aufklärung ganz wichtig sind: „Nur fünf Prozent der Anleger sind im Derivate-Markt aktiv, es braucht transparente Produkte.“ So genannte Bonus-Zertifikate würden gegenwärtig gut angenommen, da der Gewinn kalkulierbar sei. Aber auch hier gelte, dass sich der Investor vorab genau über die Bedingungen informieren sollte.

Tief in die Materie der Futures eingestiegen ist Michael Streich, Direktor der ABN Amro Bank, in seinem Vortrag. Er zeigte auf, wie mittels der Beachtung von Volatilitäten (Kursschwankungen) und Korrelationen (wechselseitige Beziehung) von Werten das Verlustrisiko minimiert werden kann und wie durch das Rollen, das heißt das Verkaufen eines auslaufenden Futures mit gleichzeitigem Kauf eines Futures derselben Basis mit einer längeren Laufzeit, eine zusätzliche Rollrendite erwirtschaftet werden kann. Der Produkt-Manager Rex Jones von der Deutsche Börse AG – Eurex  sieht weiteres Wachstumspotential im Produktbereich, „es gibt regulatorische Einflüsse, aber man wächst wohin man kann“. Er formuliert aber ganz deutlich, dass der Markt Regeln haben muss. Wenn die Spekulationsbereitschaft der Anleger steige, liefen auch Optionen und Futures besser. Doch nicht nur die Erwartung in eine Aktie dürfe zu einem Investment im Derivate-Markt führen, „die Volatilität muss im Optionshandel unbedingt berücksichtigt werden“.

Zum Abschluss der Tagung erläuterte Michael Bloss von der Commerzbank die Umsetzung und Strategie mit Optionen und Futures. Der Wertpapierspezialist und Lehrbeauftragte an der HfWU hat gemeinsam mit Professor Dr. Dr. Ernst das Buch „Derivate“ geschrieben, das kurz vor Weihnachten erscheinen wird. Er hat die Erfahrung gemacht, dass gerade in diesem Marktsegment der Geschäftsabschluss häufig an der Angst der Anleger scheitert. Doch für Bloss sind Derivate „die Zukunft“. Es gebe für jeden ein passendes Produkt, nach Chance und Risiko aufgegliedert. Allerdings plädierte er auch deutlich an die Anleger, es nicht zu übertreiben, sondern sich mit entsprechenden Informationen zu versorgen: „Sie müssen Ihre Strategien verstehen, sonst verlieren Sie, obwohl der Kurs steigt.“

Somit sind die Referenten des 4. Tages der Finanzen einig darüber, das der Derivate-Markt weiter wachsen wird. Da kam die Mitteilung von Rektor Professor Dr. Werner Ziegler, dass die Gründung eines „European Institute for Financial Engineering and Derivatives“ bevorstehe, gerade richtig. Zum Abschluss dankte Dekan Professor Dr. Joachim Reinert den Referenten.