34. Tag der Immobilie: Forderungen an die Politik aus Hochschule und Wirtschaft

Published at |

Foto (Regina Barthold): Das Podium beim Tag der Immobilie (v.l.n.r), Paul Nemeth, Lukas Siebenkotten, Lutz Freitag, Wolfgang Heckeler und Moderator Professor Dr. Hansjörg Bach.

- Lebhafte Diskussion beim Tag der Immobilie -

GEISLINGEN. (üke) Lebhaft, bisweilen erregt ging es zu, beim 34 Tag der Immobilie an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Die abschließende Podiumsdiskussion geriet zum Schlagabtausch zwischen den Verbandsvertretern der Immobilienwirtschaft und der Politik. Im Kernpunkt der Kritik: Die energetische Sanierung bei Immobilien ist teuer. Wer soll die Kosten für den Umweltschutz bei Gebäuden bezahlen?

Doch zunächst gab es etwas zu feiern: 10 Jahre Geislinger Konvention. Über diesen Zeitraum arbeitete eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Hochschule und der Wohnungswirtschaft an einem Regelwerk, um die explodierenden Wohnnebenkosten transparent, nachvollziehbar und vergleichbar zu machen. Ein Mammutwerk, das Mietern und Vermietern hilft, Einsparpotentiale zu erkennen. Laut HfWU Rektor Professor Dr. Werner Ziegler habe sich die Hochschule und der Arbeitskreis damit eines 40 Milliarden Euro Themas angenommen. So hoch liegen die jährlichen Wohnnebenkosten in der deutschen Wohnungswirtschaft. 147 Einzelpositionen lassen sich mit der Geislinger Konvention aufschlüsseln: Von Abfallabgaben über Strom, Wasser bis hin zu Zählergebühren. So lässt sich genau auswerten, wie hoch Mieter von Flensburg bis München durch Nebenkosten zusätzlich belastet werden und weshalb. Seit 2007 werden derzeit über 3,5 Millionen Wohnungen von Unternehmen in ganz Deutschland nach diesem Regelwerk verwaltet, das zum einen den Namen des Hochschulstandortes Geislingen und zum anderen die deutliche Handschrift von HfWU-Prorektor Professor Dr. Hansjörg Bach trägt. Laut Dirk Tönges, Geschäftsführer der Treureal, liegen nun vergleichbare Daten aus allen Städten Deutschlands vor. Tatsächlich sei man in der Lage, „Äpfel mit Birnen zu vergleichen“. Der Mehrwert der Geislinger Konvention liege auf der Hand: „Früher waren die Betriebskosten ein Geheimnis, heute kann der offene Umgang damit ein Marketinginstrument für die Wohnungswirtschaft sein“.

Die Geislinger Konvention wurde gezielt für die Wohnungswirtschaft entwickelt. Alle 16 Verbände werden mit diesem Instrument des „Betriebskosten-Benchmarking“ versorgt. Siegfried Rehberg vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen sieht dies als Management-Werkzeug: „Die Betriebskosten lassen sich nicht senken, aber deren Steigerung lässt sich dämpfen. Die Geislinger Konvention hilft dabei“. Lutz Freitag, der Präsident des GdW Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen, lobte die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt für die Arbeit an der Konvention. „Wir sind froh darüber, dass wir dieses Instrument haben. Wir sehen hier die ideale Symbiose von Theorie und Praxis“. 

Deutlich politischer wurde es bei der anschließenden Podiumsdiskussion, die sich mit den neuesten energiepolitischen Beschlüssen der baden-württembergischen Landesregierung auseinandersetzte. Schon mit der Eingangsfrage von HfWU Prorektor Professor Dr. Hansjörg Bach an den Energiepolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Paul Nemeth, welchen Teufel die Landesregierung bei dem neuen Erneuerbaren Energiegesetz geritten habe, wusste dieser, das der Tag der Immobilie ein kritisches Publikum und Podium repräsentiert. Er sei eher Lob gewohnt und vom Ökoinstitut bis hin zu anderen Landesregierungen werde Baden-Württemberg als Vorreiter in Sachen Klimaschutz gefeiert. Vor allem wollte die Landesregierung Investoren und „Häuslebauer“ vor explodierenden Energiepreisen schützen. Dieses Ziel teilt GdW Präsident Lutz Freitag, nicht jedoch den Weg dorthin. Mit den neuen Standards werde die Grenze der Wirtschaftlichkeit weit hinausgeschoben. Eine Technologie werde einseitig gefördert und versperre den Weg zu anderen Alternativen. Tatsächlich müssten politische Vorgaben technologieoffen bleiben. Die Modernisierung von Bestandsimmmobilien müsse wirtschaftlich bleiben so Freitag.  „Wir brauchen keinen kontraproduktiven Zwang. Wir brauchen nicht die Politik, die uns die Wirtschaft erklärt“. Vor allem brauche die Immobilienwirtschaft verlässliche Rahmenbedingungen. Leider könne jedoch die Politik die Folgen ihres Tuns nicht abschätzen. Und die Folgen des vorliegenden Gesetzes seien für Investoren und Mieter schlicht zu teuer.

Dies obwohl die Mieter durchaus bereits seien, ihr Päckchen für den Klimaschutz zu zahlen, aber die Lücke zwischen Investitionen und Nutzen sei zu groß, so  Lukas Siebenkotten, der Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes. Auch seiner Klientel, den Mietern, sei klar was Klimaschutz kostet. Aber das Investitionsdilemma, und vor allem dieses zu lösen, könne nicht allein Sache der Mieter sein. Mehr Rücksprache vor dem Gesetz hätte sich Wolfgang Heckeler gewünscht. Der Präsident des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter sieht das baden-württembergische Gesetz als sinnvoll für Neubauten, nicht jedoch für bestehende Gebäude. „Die Frage, wie die höheren Standards von den Betroffenen finanziert werden sollten, wurde von der Politik völlig ausgeklammert“. Heckeler forderte staatliche Unterstützung, damit Eigentümergemeinschaften an günstige Finanzierungsmöglichkeiten kommen könnten.

Moderator Dr. Bach stellte zum Schluss die Frage, wer denn bei den politischen Entscheidungen zu neuen Energiestandards das Zepter in der Hand halte: „Sind dies die Länder, der Bund oder die EU? Was kommt als nächstes“? Eine Frage, die Paul Nemeth spontan und humorvoll mit der Äußerung „Ich sag´ nix mehr“ beantwortete. Angesichts der Vertreter von Mietern, Eigentümern und Verwaltern auf dem Podium, die in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber den gesetzlichen Standards an einem Strang zogen fügte Nemeth dann hinzu: „In zehn Jahren werden Sie  alle sagen, da habt ihr etwas Gutes getan“. Und er schloss mit dem Appell, dass die steigenden Energiekosten von den Podiumsteilnehmern unterschätzt würden. Daher formulierte er das klare Ziel: „2020 werden wir in jedem Neubau in Deutschland fossil energiefrei sein“.

(6000 Zeichen incl. Leerzeichen)

Gerhard Schmücker, 28.04.2010