Die stolze Lutherin

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Martin Treu

- Vortrag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen zu Luthers Frau Katharina von Bora -

NÜRTINGEN. (hfwu) Im Kloster schwor sie zuerst „allen Freuden dieser Welt ab“, floh dann mit Luthers Hilfe aus dem Orden und heiratete schließlich den Reformator – das bewegte Leben der Katharina von Bora war Thema eines Vortrags an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen.

„Männer machen Geschichte, Frauen werden geheiratet – eine immer noch weit verbreitete Sichtweise“, sagt Martin Treu. Für einen Vortrag in der Reihe zur Reformation im Studium generale an der HfWU war der Referent nach Nürtingen gekommen. Er hat nach vielen zuvor veröffentlichten belletristischen Lebensbeschreibungen die erste ausschließlich auf Fakten beruhende Biographie der Katharina von Bora verfasst. Ein Beleg für die von Männern gemachte Geschichte ist Katharina von Bora nicht. Sie selbst war es, die auf den Ehebund mit Luther drängte und war mit ihm in vielen Belangen auf Augenhöhe.

Schon vor dem Reformationsjahr 1517 war Katharina mit den Schriften von Luther in Kontakt gekommen. Sie waren in das Zisterzienserinnenkloster bei Grimma geschmuggelt worden, in dem Katharina ihr Leben fristete. Die Pamphlete, in denen Luther für das eheliche Leben und gegen den Zölibat wetterte, hatten die Ordensschwester offenbar nachhaltig beeindruckt. Es sollte allerdings noch einige Jahre dauern, bis Katharina Luther um Hilfe zur Flucht aus dem Kloster bittet. In einer Nacht- und Nebelaktion schließlich gelingt ihr zusammen mit weiteren Nonnen mit Hilfe eines Mittelsmanns von Luther zu entkommen. Kein ungefährliches Unterfangen: Auf die Entführung von Nonnen stand die Todesstrafe. Eine theologische Begründung gab es für den Reformator dafür nicht. Seiner Ansicht nach forderte Gott niemals einen Zwangsdienst. Zudem „solle die Sexualität dem Menschen gewährt werden“. In ihr sah er einen besonderen Gottesdienst.

Ihren Fluchtpaten zu heiraten stand Katharina zu diesem Zeitpunkt fern. Zuerst galt es ganz alltägliche Probleme zu lösen. Die geflohene und konvertierte Katharina konnte nicht in ihre Familie zurückkehren. Eine Mitgift oder ein Einkommen fürs tägliche Leben hatte sie nicht. Verschiedene Eheanbahnungen scheiterten. In einem Fall wollten die Schwiegereltern dem Bund mit einer entlaufenen Nonne nicht zustimmen, in einem anderen, von Luther vermittelten, mangelte es an Sympathien auf Katharinas Seite. Schließlich war sie es, die den Junggesellen Luther ins Visier nahm. Dessen Ansinnen selbst eine Adelstochter von Schönfeld zu ehelichen war erfolglos geblieben. Die Eheschließung folgte derzeit vor allem weltlichen Überlegungen und hatte wenig mit der heutigen Vorstellung von romantischer Liebe zu tun, einer Erfindung der Neuzeit. So willigte Luther 1525 in die Eheschließung mit Katharina ein.

An der Seite des Freigeists nimmt Katharina fortan nicht nur die Rolle der Ehefrau sondern auch die einer Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens ein. Das Kloster bei Wittenberg, in das die beiden gezogen waren, baut sie aus und vermietet Zimmer an Studenten. Sie kauft Land und organisiert die Produktion von Lebensmitteln und stockt so das schmale Einkommen Luthers auf. Für die gemeinsamen Kinder überträgt Luther ihr die Vormundschaft und Vorerbschaft. Die von Luther übersetzte Bibel zu lesen, dafür habe sie keine Zeit, soll die geschäftstüchtige Frau ihrem Gatten bekundet haben. Luther hatte verstanden und gab ihr 50 Gulden, damit sie sich mit der heiligen Schrift beschäftigte. In männlichen Tischrunden machte sie sich schnell als gescheite Rednerin einen Namen und wurde als „stolze Frau“ hoch geachtet.

„Ihr Einfluss auf Luthers Theologien ist vermutlich größer als bisher gedacht“, so ein Fazit von Martin Treu. Sie sei mehr gewesen als nur seine Gattin, vielmehr eine gebildete, emanzipierte Partnerin.

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