Ich bin Sonja Weiß (24) und studiere Kunsttherapie an der HfWU in Nürtingen. Während der letzten drei Semester meines Bachelors wurde ich von der WAF mit dem Deutschlandstipendium gefördert. Als ich die Zusage aus dem Briefkasten fischte, hatte ich neben der Freude durchaus gemischte Gefühle. Das Stipendium will, so steht es auf der Homepage des Ministeriums für Bildung und Forschung, "leistungsstarke Studierende" fördern und sie auch weiterhin zu "hervorragenden Leistungen" ermutigen. Die Rede ist von Investitionen in die Zukunft, in vielversprechende Fach- und Führungskräfte. Diese Begriffe standen in einem starken Kontrast zu meinem damaligen Alltag. Ich befand mich mitten in meinem Praxissemester in einem offenen Atelier für Kinder. Sie konnten dort spielen, Kunst und/oder Unsinn machen und experimentieren. Es gab keinen Leistungsdruck. Ich wollte niemanden führen, sondern begleiten; es ging nicht um Spitzenleistungen, sondern z.B. darum, was man aus alten Schuhschachteln noch alles machen kann.
Dann war ich auf der Vergabefeier, wo ich andere Stipendiaten und Herrn Prof. Dr. Schackmann von der WAF kennenlernte. Nach einem Abend voller Gespräche begann ich, anders über das Stipendium zu denken. Es mag sicher Fächer geben, in denen es besonders der Kontakt zwischen Unternehmen und Studierenden ist, der wertvoll wird; etwa, weil sich die Stipendiaten in Projekte einbringen und "einen Fuß in die Tür" bekommen können. Für mich war vor allem der Gedanke wichtig, dass ein Stipendium weder als Belohnung noch Verpflichtung gemeint ist, sondern als Einladung, die eigenen Talente und Interessen wahrzunehmen, zu entwickeln und schließlich auch einzusetzen.
Das Stipendium ermöglicht einen großartigen Freiraum. Ich konnte mich sorgenfreier meinem Studium widmen und hatte Zeit, mehr zu lesen und zu lernen. Ich musste nicht mehr in den Ferien jobben gehen, sondern konnte weiterhin in der Kinderwerkstatt aushelfen - zwar für weniger Geld, dafür aber mit Spaß und Herz und um einige Praxiserfahrung reicher. Wenn weniger Sorgen da sind und man Wertschätzung und Ermutigung erfährt, dann kann man die eigenen Stärken und Ziele klarer erkennen. Man findet die Zeit, sich für das einzusetzen, was man (hoffentlich) gerne tut. Und den Mut, dabei auch neue Herausforderungen anzunehmen.
Die Motivation, es nicht nur gerne, sondern auch gut zu tun, entsteht am Ende nicht aus dem Gefühl heraus, sich beweisen zu müssen oder dazu verpflichtet zu sein. Sondern aus dem Wunsch heraus, etwas mit sich und seiner Zeit anzufangen und das eigene Potenzial für eine gute Sache zu nutzen. Diese Entwicklung wurde mir durch das Stipendium ermöglicht. Dafür bin ich sehr dankbar. Und ich bin sicher, ich werde diese Erfahrung gut nutzen können, wenn ich eines Tages darüber nachdenke, welche Einladungen und Freiräume meine Patienten brauchen, um ihre eigenen Wünsche und Stärken kennen zu lernen und ihr Potenzial zu entfalten. (Okt. 2018)