Einhörner und Flaggschiffe

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In der Fashion-Outlet-City: Die Exkursions-Teilnehmer unter Leitung von Christina Gobil (links) und Diana Lewinsky (Mitte)

Die Study-Tour-Gruppe vor dem Ritter-Kunstmuseum und Werksverkauf in Waldenbuch.

- internationale und deutsche Studierende der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) auf Exkursion bei Ritter Sport und in der Outlet-City Metzingen -

NÜRTINGEN. (hfwu) Von Kalifornien ins Ländle: Internationale Studierende begaben sich auf eine von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) organisierte Marketing-Studien-Tour. Anschauungsunterricht gab es beim Chocolatier Ritter Sport und in der Outlet-City Metzingen.

Das kalifornische Monterey kann mit einer atemberaubenden Küstenlandschaft aufwarten. Aber drei Millionen Tafeln Schokolade am Tag wie im schwäbischen Waldenbuch werden dort nicht produziert. Entsprechend beeindruckt waren die Studierenden der California State University Monterey Bay und ihre Kommilitonen von der HfWU. Die Exkursion zu Ritter Sport stand auf dem Programm der von der HfWU organisierten, zweiwöchigen „Marketing Study Tour“. In Vorlesungen und Seminaren ging es in dem Programm um die neuesten Trends im Online-Marketing. Wie diese in der Praxis umgesetzt werden ließen sich die Studierenden bei Ritter und von der Holy AG in Metzingen erklären.

„Einhorn-Schokolade“ lautet das Stichwort für den jüngsten und spektakulärsten Marketing-Coup in der Geschichte von Ritter Sport. „Sondereditionen sind als Marketing-Instrument nichts Besonderes“, erklärt Produktmanager Klaus Hierlemann. Zum VfB-Aufstieg gab es eine, eine mit Äffle und Pferdle und eine zur Late-Night-Fernsehshow Circus Halli Galli. Mit einem derartigen „Nachfrage-Tsunami bei der Einhorn-Edition“, so Hierlemann, hätten die Ritter-Marketingleute aber im Traum nicht gerechnet. Die erste Auflage mit 75.000 Tafeln war binnen zehn Minuten ausverkauft. Der Webserver brach unter den Anfragen zusammen. Der Ladenverkauf in Waldenbuch und Berlin musste wegen Überfüllung ausgesetzt werden. Bei der zweiten Auflage zwei Wochen später ging der vorsorglich aufgerüstete Server des Webshops schon fünfzehn Stunden vor Verkaufsstart in die Knie. Ein Vorortverkauf wurde aus Sicherheitsgründen gleich gar nicht erwogen. Warum die Magermilchschokolade mit Himbeergeschmack die Schokofans derart aus dem Häuschen brachte kann auch Hierlemann nicht ganz erklären. Völlig aus dem blauen Himmel kam die rosa Schokolade aber nicht. Den Trendscouts bei Ritter war nicht entgangen, dass viele Ritter-Sport-Fans Vorschläge für eine Einhorn-Kreation gemacht hatten und diese auf große Resonanz in der Webgemeinde gestoßen waren.

Der Erfolg mit dem Fabelwesen ist nicht der erste Marketing-Coup von Ritter. Anfang der 70er-Jahre führte der Chocolatier zur Unterscheidung der verschiedenen Geschmacksrichtungen die unterschiedlichen Verpackungsfarben ein. Damals eine bahnbrechende Idee. Schon vor hundert Jahren hatte Clara Ritter, die zusammen mit ihrem Mann Alfred das Unternehmen gründete, einen Blick fürs Praktische. Ihre Idee war es, aus der länglich dünnen und zerbrechlichen Tafel das handliche bruchsichere Quadrat zu machen. Wie die Produktion der schmackhaften Vierecke heute vonstattengeht, davon verschafften sich die Studierenden bei einer Werksführung einen Eindruck.

Was in Sachen internationales Flair Ritter Sport für Waldenbuch ist, ist die Outlet-City für Metzingen. Dort hatte die Study-Tour wenige Tage zuvor Station gemacht. Ob Schokolade oder Shorts, das Online-Marketing gewinnt in beiden Branchen rasant an Bedeutung. Welche Rolle es speziell für den Textil-Outlet-Verkauf spielt, erklärte den Studierenden Christina Gobil von der Holy AG. „Der Online-Shop kann auch einfach ein Zusatznutzen sein, ergänzend zum vor Ort getätigten Einkauf“, so die Leiterin „Verkauf und Tourismus“. Dann etwa wenn der Webshop noch den passenden Gürtel zur gekauften Hose vorschlägt. Vier Millionen Besucher kommen jährlich in die Outlet-City nach Metzingen. Fast die Hälfte davon aus dem Ausland. „Vor diesem Hintergrund möchten wir uns nicht nur als Shopping-, sondern auch als touristisches Ziel deutlicher positionieren“, erklärt Gobil. Die Hugo Boss AG, familiär verbunden mit der Holy AG, startete in den 70er-Jahren als erstes Textilunternehmen in Metzingen einen Fabrikverkauf. Daraus entstand die erste Outlet-City in Deutschland. Heute gibt es im deutschsprachigen Raum rund 30 ähnliche Schnäppchen-Dorados. Für Gobil ist auch dies ein Grund, sich mit durchdachtem Marketing von den anderen Orten abzusetzen. Die Outlet-City setzt auf ein „Flagship Store“-Konzept: Der Vorzeigestandort Metzingen wird direkt von den Herstellern, nicht von den Händlern, beliefert. Zudem liegt ein besonderer Fokus auf Luxusmarken wie Gucci, Prada, Boss und Armani.

„Exkursionen in der Art bietet unsere Uni in Monterey nicht“, sagt Exkursionsteilnehmer Ryan. Er lobt zudem den persönlichen Kontakt zu den Dozenten. Die Vororterkundungen fanden im Rahmen des Unterrichts der Lehrbeauftragten Yasemin Polikar statt. Diana Lewinsky vom International Office der HfWU hatte die Exkursionen organisiert. Ritter Sport Schokolade kannte Ryan bisher noch nicht, ist aber nach einer Verkostung überzeugt. Die Schokoladen-Manufaktur exportiert in über hundert Länder. Der nordamerikanische Markt gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nicht auszuschließen also, dass Ryan auf Tour durch die beeindruckende Küstenlandschaft zu Hause bald eine der drei Millionen täglich im Schwäbischen produzierten Schokoquadrate im Gepäck hat.

Udo Renner, 7.8.2017

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